Strategische Beschwichtung

STAATSBESUCH Obamas neue China-Politik

WASHINGTON taz | Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hat gegenüber China neue Töne angeschlagen: „Strategische Beschwichtigung“ heißt der neue Weg, den Kritiker allerdings als Schmusekurs empfinden.

So hatte Außenministerin Hillary Clinton im Februar bei ihrer ersten Auslandsreise, die sie zur Irritation der Europäer nach China unternahm, erklärt, der Einsatz für Menschenrechte dürfe „der Weltwirtschaftskrise, der Weltklimakrise und der Sicherheitslage nicht in die Quere kommen“. Das Verhältnis zu China dürfe nicht von Streitfragen wie Tibet oder Taiwan beeinträchtigt werden. Statt über Menschrechte zu reden, warb Clinton in China um neue Kredite – China besitzt über eine halbe Billion Euro an amerikanischen Staatsanleihen und ist größter Gläubiger der USA. Noch dazu stellt China inzwischen den US-Dollar als weltweite Leitwährung in Frage.

Keinen wundert es da, wenn Obama betont, er wolle die Beziehung zwischen beiden Ländern vorantreiben. Dabei will der US-Präsident das Thema Menschenrechte aber nicht aus dem Blick verlieren, wie er bei der Eröffnung eines amerikanisch-deutschen Dialogforums im Juli in Washington betonte. „Genauso wie wir Chinas uralte Kultur und beachtliche Errungenschaften respektieren, sind wir fest davon überzeugt, dass der Glaube und die Kultur aller Völker respektiert und geschützt werden müssen, und dass alle Menschen ihre Meinung frei äußern können sollten“, sagte Obama. Dies gelte für ethnische und religiöse Minderheiten ebenso wie für Minderheiten in den USA.

Noch im März 2008 hatte die Bush-Regierung China im Vorfeld der Olympischen Spiele von ihrer Liste der Länder mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen gestrichen. Das Land habe wichtige Reformen in den Bereichen Polizei und Justiz eingeleitet, zudem könnten Todesurteile wieder von höheren Instanzen überprüft werden, hieß es damals zur Begründung.

Die USA gewähren zahlreichen chinesischen Dissidenten Asyl, unter ihnen auch Uiguren-Anführerin Rabia Kadeer. Als aber Anfang Oktober der Dalai Lama zu Besuch nach Washington kam, lehnte es Obama ab, ihn zu empfangen, ohne zuvor den chinesischen Staatschef Hu Jintao besucht zu haben. Kritikern dieser Entscheidung entgegnete das Weiße Haus: Der Präsident lege keinen Wert auf symbolische Fotosessions. Er plane eine neue Strategie für den Tibet-Konflikt. Die alte, nämlich den Dalai Lama regelmäßig zu treffen und dann von China Gespräche zu fordern, habe wenig gebracht.

Wenn Obama nächste Woche zu einem zweitägigen Besuch in China eintrifft, erwartet er sich wichtige Entscheidungen in Sachen Wirtschaft sowie Zusagen vor der Klimakonferenz in Kopenhagen. Der frühere Präsidentenberater Douglas Paal unterstrich die Bedeutung des Besuchs: „Man hat nur eine Möglichkeit für einen Beginn in der richtigen Art und Weise.“

ANTJE PASSENHEIM