Die Bürgerschaft ist eine Burg

SOCIAL MEDIA Bürgerschaftspräsident Christian Weber lud ein zur Debatte über Sinn und Unsinn von Wahlkampf in den sozialen Netzwerken

Der Gastgeber verließ seine eigene Veranstaltung

„Wahlkampf im Social Web: Transparenz oder Manipulation?“ Zu dieser Fragestellung lud am Mittwoch abend Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) zu einer Diskussionsrunde ein.

Die Fragestellung verrät: Die etablierte Politik interessiert sich für das Netz als In­strument im Wahlkampf. Und da ist es doof, dass es die berüchtigten Rückkanäle gibt. Wenn sie genutzt werden, droht „Manipulation“ – als wäre nicht die gesamte öffentliche Wahlkampf-Show das Gegenteil von Transparenz. Die Parteipolitiker begreifen das Netz als Plattform wie die Stände an der Straße. Auch da kommen viele Leute und stellen komische Fragen – oder pöbeln herum. Im Netz kann man das unkontrolliert tun, das ist das Problem. Der Berliner Justizminister will, dass Facebook und Twitter das unterbinden – so, als müsste ein Gastwirt garantieren, dass in seiner Kneipe nicht herumgepöbelt wird.

Nicht nur Hasskommentare, auch „Filterblasen“ beunruhigen die Politiker. Als die noch „Stammwählermilieus“ waren, galten sie als gut. Aber von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen lässt sich das Netz nicht kontrollieren – das ist schlecht.

Und dann die Fake News! Die etablierte Politik hatte lange das Monopol auf Fake News. Der ­Vietnam-Krieg wurde damit gerechtfertigt, dass die US-amerikanischen GIs dort „unsere Freiheit“ verteidigen. Gegen diese Fake News hat sich damals, 1968, eine radikale Minderheit von Studenten empört. Auf ihre Protestbewegung geht der Gedanke zurück, dass auch Minderheiten das gute Recht haben, sich einzumischen – damals auf der von Medienmonopolen freien Straße, in unserem Jahrhundert im Netz.

Die Bremische Bürgerschaft ist eine Burg, die versunkene Zeiten trotzig verteidigt. Jeder, der im „Haus der Bürgerschaft“ einen freien WLAN-Zugang sucht, würde schon am Pförtner scheitern. Selbst der langjährige CDU-Politiker Wolfgang Schrörs wurde am Mittwochabend angehalten und ihm wurde klar gemacht, dass sein Jackett für die Hausordnung zu lang sei.

Christian Weber selbst begrüßte die Gäste mit einer launigen Rede, in der er vor allem betonte, dass er von der alten Garde sei und die Papiermedien liebe. Und dann verließ er seine eigene Veranstaltung. KAWE