Der Moderne Dandy
: Kunst des Müßiggangs

Mitglieder Mr. Erbil Foto: reuters

Dank Charles Baudelaire wissen wir: Die Eleganz des Dandys ist eine geistreiche Angelegenheit. Er kultiviert sein Auftreten und seinen Witz genauso wie seine Kleidung. Dazu gründet seine Eleganz auch immer in einer interessanten, wenn nicht ungewöhnlichen Geschichte.

Ahmed Nauzad ist ein solcher Dandy. Er rief vor einem Jahr „Mr. Erbil“ ins Leben, den ersten Gentlemen’s Club im Irak, wie der Name sagt, ist er in der Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebiets beheimatet. Der 27-Jährige kehrt im Sommer 2014 aus Ludwigshafen in seine Geburtsstadt zurück, nachdem der IS bis auf 30 Kilometer auf sie vorgerückt war. Er sah es als seine Pflicht an, seiner Familie beizustehen. In Erbil traf er seine alten Freunde Omer Nihad und Goran Pschtiwan, die sein Faible für maßgeschneiderte Anzüge, gepflegtes Aussehen und einen stilisierten Auftritt teilten.

Ahmed Nauzad und seine Freunde gehörten unbedingt in Günter Erbes Kulturgeschichte mondäner Lebensentwürfe der Gegenwart: „Der moderne Dandy“. Die grundsätzliche Erörterung der Frage, was den Dandy, dessen klassische Vertreter ja Figuren des 19. Jahrhunderts waren, in heutiger Zeit definiert, macht Erbe in seinen Porträts moderner Dandys konkret. Unter ihnen finden sich der Kunstsammler Harry Graf Kessler, der Dadaist Hugo Ball, der Maler Balthus, aber auch der Journalist Fritz J. Raddatz. Dandy zu sein verlangt Balance. Zu viel vom einen, etwa Engagement, und zu wenig vom anderen, zum Beispiel Stil, und schon entpuppt sich der Dandy als Snob, als Popper oder heute als Hipster.

Ungefährdet sind da Andy Warhol, David Bowie und last not least Karl Lagerfeld. Seinen Geliebten Jacques de Bascher, den er mit Yves Saint Laurent teilte, zeichnet Günter Erbe als den wahren Dandy: Schließlich wäre es de Bascher nie in den Sinn gekommen, zu arbeiten.

Vor allem aus diesen Grund ist es heute schwer, Dandy zu sein. Warhol, Bowie oder Lagerfeld können kaum als Müßiggänger bezeichnet werden. Viel zu viel Ehrgeiz floss in ihre professionellen Karrieren, statt in ihr pures Sein. Insofern sie sich wie der Dandy des 19. Jahrhunderts zur Marke zu machen verstanden, kommt seine wegweisende Bedeutung bei ihnen freilich in Perfektion zum Tragen. WBG

Günter Erbe: „Der moderne Dandy“. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2017, 351 S., 29,99 Euro