Telefonieren, ohne Krieg zu finanzieren

STANDARDS Eine niederländische Organisation will das erste fair produzierte Smartphone verkaufen

AMSTERDAM taz | Die jüngste Innovation auf dem Smartphonemarkt bietet technisch nichts Neues – trotzdem kommt sie einer Revolution gleich: Das „fair phone“ der in den Niederlanden ansässigen gemeinnützigen Waag Society soll das erste ethisch sauber hergestellte Smartphone der Welt werden.

Die Produktionsbedingungen in der Branche sind sonst alles andere als fair, wie die Suizidwelle bei dem taiwanesischen Zulieferer Foxconn im Jahr 2010 drastisch zeigte. Die Ausbeutung beginnt bei der Rohstoffbeschaffung: In einem Handy werden etwa 30 Metalle verarbeitet. Bei ihrer Gewinnung sind tödliche Unfälle an der Tagesordnung, die Umwelt leidet unter giftigen Nebenprodukten. Zudem werden die Minen etwa im Kongo meist von Warlords kontrolliert. Die Organisation MakeITfair schätzt die Wahrscheinlichkeit, mit dem Kauf eines Smartphones indirekt den Bürgerkrieg zu finanzieren, auf „quasi 99 Prozent“.

Das Fair-phone-Team um Bas van Abel und Miquel Ballester Salva will zeigen, dass es auch anders geht – auch wenn klar ist, dass es „derzeit unmöglich ist, ein 100 Prozent faires Smartphone herzustellen“. Sie nehmen etwa an der von mehreren NGOs organisierten Conflict-Free-Tin-Initiative teil, sodass mit dem Zinn im fair phone schon mal kein Krieg finanziert wird.

Zielgruppe: Evangelisten

Die Entwickler sehen das fair phone sowohl als Produkt wie auch als Kampagne: „Wir wollen, dass die Leute realisieren, was im Elektroniksektor alles schiefläuft. Aber dazu brauchen wir eine positive Geschichte.“

Ein Gerät der oberen Mittelklasse soll das fair phone werden, Android-betrieben, 250 bis 300 Euro teuer. Zielgruppe ist zunächst die Soja-Latte-Fraktion, die „Evangelisten des Markts“, wie van Abel sie nennt: Leute, die mit ihren Kaufentscheidungen Vorbild sein wollen. Im Juni 2013 soll das Gerät auf einer Crowd-funding-Webseite für seine Finanzierung werben. Im Herbst könnten die ersten 10.000 fair phones ausgeliefert werden.

ANNA SCHWARZ

Meinung + Diskussion SEITE 12

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