Hurrikan „Rita“ treibt den Ölpreis hoch

Wieder sind US-Anlagen und Raffinerien im Golf von Mexiko in Gefahr. Kein Wunder, dass der Preis für Erdöl trotz der Ausweitung der Opec-Fördermenge steigt. Tendenziell ist aber Entspannung in Sicht: Die Nachfrage lässt nach

VON ULRIKE HERRMANN

Der nächste Ölpreis-Rekord ist nicht mehr weit: Gestern Mittag stieg der Kurs für ein Barrel Rohöl in New York auf 67,76 Dollar. Denn der Hurrikan „Rita“ rast auf die texanische Küste zu und könnte Bohrinseln und Raffinerien beschädigen. Die Branche rechnet mit „Spitzenwerten bis 75 Dollar“, sagte Ölexperte Thomas Bakosch gestern der taz.

Der bisherige Preisrekord wurde Ende August mit 70,85 Dollar pro Barrel erreicht. Damals hatte der Hurrikan „Katrina“ im Golf von Mexiko die Bohrinseln und Raffinerien bei New Orleans lahm gelegt. Diesmal könnte es die Anlagen etwas weiter westlich rund um Houston treffen. Im Golf befindet sich knapp ein Drittel der US-Ölindustrie. Allein 26 Raffinerien sind bedroht, 18 davon liegen an der Küste, 9 wurden vorsorglich schon geschlossen.

Unter dem Druck der Rekordpreise hat die Opec inzwischen beschlossen, ihre Fördermenge bis zum Limit auszudehnen. Die Ölländer haben ihren offiziellen Absatz von täglich 28 auf 30 Millionen Barrel gesteigert. Doch diese Initiative dürfte den Preisauftrieb nicht stoppen. Denn die Opec hat auch bisher mehr als die 28 Millionen Barrel täglich gefördert. Mit ihrem jetzigen Beschluss hat sie nur nachträglich die Realität anerkannt.

Außerdem lässt sich die Fördermenge nur noch erhöhen, indem schweres und schwefelhaltiges Öl auf den Markt geworfen wird, das nur leistungsstarke Raffinerien verarbeiten können. Gerade die überalterten US-Anlagen sind mit diesen schlechten Ölqualitäten jedoch überfordert – sie bevorzugen das leichte West Texas Intermediate (WTI). Daher würde es die amerikanische Ölindustrie besonders treffen, wenn Hurrikan „Rita“ tatsächlich die Route durch Texas wählen sollte. Es ist denn auch die Ölsorte WTI, die derzeit an den Börsen die Höchstnotierungen von fast 68 Dollar pro Barrel einfährt.

Trotzdem ist Analyst Bakosch sicher: „Es wird weltweit keine Unterversorgung beim Öl geben.“ Die Preise seien „sehr stark überhitzt“. Spekulanten würden die Kurse an den Ölbörsen um etwa 20 bis 25 Prozent künstlich nach oben treiben.

Die letzte US-Bestandsmeldung scheint ebenfalls zu signalisieren, dass sich der Ölmarkt tendenziell entspannen könnte. Besonders aufschlussreich: Selbst beim Benzin sind in Amerika keine Engpässe mehr zu verzeichnen – obwohl noch immer 4 große Raffinerien ausfallen, die durch „Katrina“ beschädigt wurden. Doch die Nachfrage der Autofahrer ist noch stärker zurück gegangen.

Gering war bisher auch das Interesse an den strategischen Ölreserven, die die Internationale Energieagentur nach „Katrina“ freigegeben hat. Bei einer Auktion in der vergangenen Woche konnten nur 11 Millionen Barrel versteigert werden – 30 Millionen waren angeboten worden.

Bakosch prognostiziert daher, dass es an den Börsen langfristig „einen Einbruch gibt“ und der Ölpreis wieder auf „50 bis 60 Dollar fällt“. Wenn die Hurrikan-Saison vorbei ist – also „bis Ende des Jahres“.

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