Scherf will „personelle Erneuerung“

Die Interviews von Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) zur Frage der Koalitionsbildung im Bund sorgen in seiner Partei für Verärgerung. Unerwünschte Ratschläge aus der Provinz sind in Berlin nicht willkommen.

bremen taz ■ Henning Scherf mischt sich gern in die große Berliner Politik ein. Von den „Chancen einer personellen Erneuerung“ Bremens hat er jüngst gesprochen – in Richtung Gerhard Schröder. „Soll er mal einen Anfang machen“, kontert Bremens SPD-Bundestagsabgeordneter Volker Kröning trocken. Das seien „unerwünschte Ratschläge“, die Scherf in diversen Interviews Richtung Berlin gegeben habe. Da ist Kröning sich mit Uwe Beckmeyer, dem anderen Bremer SPD-Bundestagsabgeordneten, einig. „Das ist eine völlig isolierte Einschätzung“, was Scherf da von sich gebe, meint Beckmeyer. Und überhaupt: „Wenn beim Zocken einer von außen als Zugucker irgendwelche Ratschläge gibt – den schmeißt man doch raus.“ Beckmeyer müsse „dringend davon abraten, solche unvorsichtigen Ratschläge von außen zu lancieren – zumal von Bremen“. In Berlin werde „mit einer gewissen Häme“ auf die Bremer Haushaltslage verwiesen. Scherfs Interviews seien „weder hilfreich für Bremen noch für die Sache.“

Der Bremer SPD-Vorsitzende Carsten Sieling findet, dass „personelle Erneuerung immer ein gutes Stichwort“ sei. Auf Schröder gemünzt sieht er das aber nicht mehr so locker: „Das ist die Meinung von Henning Scherf. In der Bremer SPD hat es diese Auffassung nicht gegeben.“ Die Partei wolle „den Anspruch auf das Kanzleramt mit Gerhard Schröder formulieren“.

Die wichtigste Aufgabe einer neuen Bundesregierung sei die Sanierung des Haushalts, hatte Scherf seine Position inhaltlich begründet. „Das kriegt man nach meiner Einschätzung nur in einer großen Koalition hin.“ SPD und Union sollten ohne Vorfestlegung auf Personen die Möglichkeiten einer großen Koalition sondieren. Im Bayerischen Rundfunk hatte Scherf über Schröder gesagt: „Ich habe den Eindruck, der kommt einfach nicht schnell genug runter von diesem großen Wahlkampf und auch von dem relativ großen Erfolg.“

Das hat den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, Sprecher des rechten „Seeheimer Kreises“, auf die Palme gebracht. „Ich halte es für absurd, wenn jetzt jemand aus der Provinz glaubt, Schröder anmachen zu müssen“, wetterte er gegen Scherf. „Das kann nicht gut für Bremen sein.“ Kahrs ist Sohn der früheren Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs und kennt die Bremer Verhältnisse. Egal ob Seeheimer oder Parlamentarische Linke in der SPD-Fraktion – „da runzeln alle die Stirn“. Scherf habe offenbar „der Sachverstand in dieser Frage verlassen“, er möge sich „gefälligst da heraus halten und sich um Bremen kümmern, da hat er genug zu tun.“

Zum Stichwort von der personellen Erneuerung fällt Kahrs eher die Gegenrichtung ein: „Stellen Sie sich vor, dass jemand aus Kirchlinteln den Bremern vorschlagen würde, doch eine Koalition ohne Scherf zu machen.“ Und dass der Bürgermeister sauer auf Schröder ist, weil der ihn mit dem Kanzlerbrief hängen ließ, kann Kahrs aus Berliner Sicht überhaupt nicht akzeptieren: „Da soll er sich überlegen, was er mit dem Geld, das er vom Bund bekommen hat, gemacht hat.“ Genauere Nachfragen wehrt er ab: Er will sich nicht in die Bremer Verhältnisse einmischen. klaus wolschner