Berliner Szenen: Bei nebenan.de
Der Fußabtreter
Seit ich in dem virtuellen Nachbarschaftsnetz nebenan.de registriert bin, erfahre ich nicht nur, wer sich von Möbeln, Kleidern oder Tieren trennen will, wer für eine Pflanzenaufzucht nicht klumpende Katzenstreu auf mineralischer Basis braucht, wer einen Tisch lackiert hat und auf die Schnelle Terpentin benötigt, wer Freiwillige für einen Frühjahrsputz oder einen Berater zur Altersvorsorge sucht. Dabei bekomme ich auch Einblicke in fremde Seelen in der Nachbarschaft.
In der Kategorie „Verloren“ stieß ich auf eine Suchmeldung von Denes E. aus dem Samariterkiez, die die Überschrift trug „Wer hat meinen Fußabtreter gesehen?“: „Seit gestern vermisse ich meinen Fußabtreter. Dieser wurde in der Zeit von Mittwoch 0–12 Uhr geklaut. Kann mir vielleicht jemand weiterhelfen?“ Zur Illustration hatte er ein Foto des vermissten Stücks hinzugefügt. „Welcome to the Batcave“ stand auf einer braunen Matte, die eine schwarze Fledermaus mit geöffneten Schwingen zierte. Denes E. wohnte also in einer Fledermaushöhle.
Möglicherweise handelte es sich um den Fledermausbeauftragten des Bezirks, dachte ich. Möglicherweise war er aber auch in der Gothic-Szene unterwegs. So tief lässt das virtuelle Nachbarschaftsnetz dann doch nicht blicken. „Oder hat ein Kind zufällig einen neuen Vorleger gefunden?“, fragte Denes E. in seiner Suchanzeige weiter. „Ich würde mir wünschen, jemand ist so ehrlich und legt ihn mir wieder vor die Türe!!“ Ich fragte mich, wie sinnvoll der Aufruf war und ob der Mann aus meiner Nachbarschaft nicht besser eine neue Fledermaus zum Fußabtreten kaufen sollte. Als ich den letzten Satz las, verging mir jegliches Spotten.
Mit den Worten „War ein Geschenk meiner verstorbenen Frau!“, endete das Gesuch von Denes E. aus dem Samariterkiez. Barbara Bollwahn
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