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Kommentar Vorschläge zur EurozoneAus der Schneckenperspektive

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Armut und Arbeitslosigkeit lässt das EU-Papier aus. Es ignoriert den Kontext. Nur an Eurobonds wagt es sich heran – ohne sie zu nennen.

Die Aussichten sind nicht berauschend Foto: ap

W eltfremd – dieses Wort passt bestens zu den neuesten Vorschlägen der EU-Kommission zur Eurozone. Die Realitätsferne zeigt sich bereits beim Zeithorizont: Bis 2025 will man langsam ein paar kleine Änderungen vornehmen. Dabei wäre es ein Wunder, wenn die Eurozone 2025 noch existierte, falls das Reformtempo so dröge bleibt.

Die zentrale Frage ist: Wie kann man die Arbeitslosigkeit und Armut bekämpfen, die viele Euroländer plagt? Doch genau dazu sagt das EU-Papier gar nichts.

Stattdessen wird an Einzelheiten herumgetüftelt – und der Kontext ignoriert. Ein typisches Beispiel ist die Idee, dass es eine gemeinsame Einlagensicherung für alle europäischen Banken geben soll, um die einzelnen Institute sicherer zu machen. Der Vorschlag ist zwar richtig – aber chancenlos. Denn in der Finanzbranche weiß jeder, dass die italienischen Banken auf faulen Krediten von etwa 300 Milliarden Euro sitzen. Dafür wollen die anderen Banken nicht haften. Die eigentliche Frage wäre also, wie man den italienischen Instituten hilft. Doch auch dazu schweigt das Papier.

Immerhin wagt sich die EU-Kommission an ein Tabuthema heran. Sie fordert, dass die Euroländer ihre Schulden gemeinsam aufnehmen – also Eurobonds ausgeben. Allerdings hütet sich die EU-Kommission wohlweislich, das Wort „Eurobonds“ zu benutzen – und es soll auch nur einen Bruchteil der Staatsanleihen betreffen. Zu groß ist die Angst in Brüssel, die Deutschen zu verärgern, die auf der „Eigenverantwortung“ der Länder bestehen.

Das reiche Deutschland wird reicher, während der Rest verliert

Das Konzept „Eigenverantwortung“ klingt zwar fair, sprengt aber die Eurozone von innen. Deutschland kann momentan 10-jährige Kredite für einen Zins von 0,3 Prozent aufnehmen. Das arme Portugal hingegen muss 3 Prozent zahlen. Konsequenz: Das reiche Deutschland wird reicher, während der Rest verliert.

So kann die Eurozone nicht funk­tio­nieren. Noch nicht einmal bis 2025.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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3 Kommentare

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  • Arbeitslosigkeit und Armut sind nach der Konzeption der Europäischen Union ausschließlich Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Wenn das nicht funktioniert, dann ist die EU bzw. der EURO in dieser Form gescheitert. Deren Kritker (bei Einführung der EU bzw. des EURO) hätten Recht behalten.

     

    Als Folge müsste die EU entweder vollständig verändert oder komplett aufgelöst werden. Da die Kernversprechen "keine Haftung für andere Mitgliedstaaten" und "jedes Land bleibt für seine Sozialaufgaben selbst zuständig" im Falle einer Änderung aufgegeben werden müssten, tendiere ich klar zu einer Auflösung. Beide Versprechen halte ich für unabdingbar.

     

    Nach einem klaren Schnitt sollte sich Deutschland mit anderen wirtschaftlich starken Partnern einigen und eine EU-Light gründen bzw. einen EURO2 einführen. Unter gleichen Partnern könnte dann darüber diskutiert werden, ob die Sozialsysteme vereinheitlicht und vereinigt werden.

     

    Wenn man, wie Frau Herrmann, die jetzigen Änderungen als weltfremd bezeichnen möchte, dann muss man bereits die Gründung der EU als weltfremd bezeichnen.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Toll die Reichen endlich unter sich. Dann haben wir ein wohlhabenes Europa mit vielen Armen und ein armes Europa mit vielen Reichen. Was machen wir dann mit Italien und Frankreich, Nord oder Süd?

      • @82236 (Profil gelöscht):

        Frankreich müsste sich entscheiden, ob es in Zukunft wirtschaftlich handelt und konkurrenzfähig wird. Andernfalls wird es Mitglied im ClubMed. Für Italien dürfte es bereits zu spät sein.

         

        Aber das ist nicht die Schuld der EU. Die EU war nie als soziales Projekt oder als Geldverschiebebahnhof konzipiert.