Stefan Alberti sinniert über die politischen Implikationen von Regeln im Begegnungsverkehr
: Rechts vor links? – Doch nicht in Kreuzberg!

Wer will schon rechts überholen? Foto: K. Thielker

Da ist es wieder. Wieder ein Politiker, der in irgendeinem Zusammenhang von der wachsenden Stadt spricht. Als ob es das noch braucht! Ein Blick auf die Radwege und Bürgersteige, in die Parks und Bäder reicht, um das mitzubekommen. Steigen die Temperaturen, wächst auch die Menge der Menschen, die dort aufeinanderstoßen. Immer mehr Leute auf im besten Fall gleichbleibendem Platz. Das bedeutet, dass man teilen muss. Keine leichte Sache bei immer mehr Ego-Shootern.

Platz machen für Gegenverkehr im Park – doch nicht wir vier Walkerinnen, der Weg reicht doch gerade mal, dass wir quatschend nebeneinander herstöckeln können. Hinter dem Fahrradkollegen fahren statt nebeneinander, damit auf stark befahrenem Stück Schnellere von hinten überholen können? Nein, sollen die doch auch langsam fahren.

Dabei gibt es genau für solche Fälle eigentlich klare Regeln. Die sind nicht vom Himmel gefallen und standen auch nicht auf Moses’ Steintafeln, sondern fanden über politische Meinungsbildung und Beschluss in die Straßenverkehrsordnung. Und da steht neben dem grundsätzlichen Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme etwas von Rechtsverkehr. Jeder fährt, läuft, geht auf der von ihm aus rechten Seite, dann passt’s. Und hält an, wenn einer von rechts kommt.

Das Problem ist bloß: Im Kopf kann man eine gewisse Hemmung haben, im Gleisdreieckpark im grün-links regierten Kreuzberg und im SPD-linken Schöneberg als Ort solcher Begebenheiten laut „Rechts vor links!“ zu fordern. Oder daran zu erinnern, dass rechts zu fahren ist. Am Ende antwortet möglicherweise einer: „Du Fascho!“, weil für ihn das Linksgehen und -fahren politische Haltung ist. Es gilt ja Meinungsfreiheit.

Nichts dazu zu sagen, hilft allerdings auf Dauer auch nicht. Vielleicht wäre es einfacher, die Vorfahrts- und sonstigen Regeln den politischen Mehrheitsverhältnissen in den Stadtbezirken anzupassen. Auf der Radverbindung Richtung Südwesten über den Gleisdreieckpark und längst der S-Bahn-Linie 25 würde folglich bis Priesterweg Linksverkehr gelten, von da an im CDU-regierten Steglitz Rechtsverkehr. Kleiner positiver Nebeneffekt: Das könnte zu mehr politischem Interesse führen – weil man sich ja erst mal über die Mehrheitslage informieren muss.