Zu mächtig für de Maizière

Nun geht die Ära Schäuble auch sicherheitspolitisch zu Ende. August Hanning, der Staatsekretär für innere Sicherheit, wurde am Dienstag von seinem neuen Chef, Thomas de Maizière (CDU), fristlos in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Eigentlich war der Wechsel erst für Anfang Dezember angekündigt, aber jetzt scheint der Konflikt eskaliert zu sein. Wie man aus Regierungskreisen hört, konnten sich die beiden nie sonderlich gut leiden. Dabei hatten sie viel miteinander zu tun. De Maizière war als Staatsminister im Kanzleramt auch für den BND und die Koordination der Geheimdienste zuständig. Hanning war für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt verantwortlich.

Weil der alte Innenminister Schäuble Hanning vertraute und viel Freiheit ließ, wurde er einer der mächtigsten Staatssekretäre. Für ihn war die „Optimierung der Sicherheitsarchitektur“ nicht nur eine Floskel, sondern ein großes Projekt. In seiner Zeit bekam das BKA präventive Befugnisse zur Terrorabwehr, der Verfassungsschutz wurde organisatorisch gestrafft und die internationale Vernetzung mit anderen Nachrichtendiensten intensiviert. Auf so viel Kompetenz und Erfahrung wollte de Maizière offensichtlich verzichten, um selbst Chef im Hause zu sein.

Ob damit ein Kurswechsel verbunden ist, bleibt abzuwarten. Hanning wollte keine überwachungsfreien Räume dulden. Im taz-Interview räumte er im März 2009 ein, Terrorverdächtige notfalls auch im Bett oder auf öffentlichen Toiletten zu observieren: „Wenn es um die Vermeidung von Terroranschlägen geht, kann es keine absolut sicheren Rückzugsräume geben.“ Der promovierte Jurist war in den 90ern als Abteilungsleiter im Kanzleramt selbst für die Geheimdienstkoordination zuständig, 1998 wurde er BND-Präsident, 2005 wechselte er als beamteter Staatssekretär ins Innenministerium. 2011 wäre der parteilose Konservative pensioniert worden. Sein Nachfolger soll erst Anfang Dezember präsentiert werden. Gute Chancen hat der jetzige Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche. Dass de Maizière aber zwei Wochen Vakanz auf diesem Posten in Kauf nimmt, dürfte ihm Antiterrorkämpfer Hanning nicht nur menschlich verübeln.

CHRISTIAN RATH