Übersetzer vor Mammutaufgabe

OBDACHLOSE Frostschutzengel sollen Wohnungslose aus Osteuropa ansprechen und Vertrauen schaffen

■ Die Berliner Kältehilfe ist eine 1989 von Berliner Kirchengemeinden, Wohlfahrtsverbänden und der zuständigen Senatssozialverwaltung ins Leben gerufene Initiative. Ziel ist es, Obdachlosen in der kalten Jahreszeit zwischen Anfang November und Ende März einen Unterschlupf und damit Schutz vor den lebensbedrohlichen Temperaturen anzubieten.

■ In der vergangenen Wintersaison verzeichneten die Träger der Einrichtungen insgesamt etwa 69.500 Übernachtungen. Viele Einrichtungen waren überbelegt.

■ Hauptträger sind neben den Kirchengemeinden die Berliner Stadtmission, die Gebewo Soziale Dienste Berlin gGmbH und das Deutsche Rote Kreuz. Hinzu kommen Verbände, Vereine und Initiativen. Zudem engagieren sich viele ehrenamtliche Helfer für die Kältehilfe.

■ Die Projekte werden aus Zuwendungen des Landes Berlin und der Bezirksämter, von der Liga der Wohlfahrtsverbände und aus Spenden finanziert. Über das Internet (www.kaeltehilfe.de) können Interessierte ihre Unterstützung anbieten. Zudem können sich Obdachlose und Helfer über ein Kältehilfetelefon und eine Datenbank zu den Angeboten informieren. (epd)

Ein eiskalter Wind zieht durch die U-Bahn-Haltestelle am Hansaplatz. An deren Südausgang stellt Gesine Schwan drei „Frostschutzengel“ vor, zwei junge Frauen und einen Mann in knallroten Anoraks. Seit Anfang November sind sie für die Berliner Kältehilfe unterwegs, um speziell auf Obdachlose aus Osteuropa zuzugehen. Sie sprechen Polnisch, Russisch und baltische Sprachen und sollen bei den Betroffenen Vertrauen aufbauen.Die frühere Viadrina-Präsidentin Schwan ist Schirmherrin des Projekts, mit dem die Kältehilfe auf die steigende Anzahl von wohnungslosen Osteuropäern in Berlin reagiert. „Sie sorgen dafür, dass das Grundrecht auf Menschenwürde aufrechterhalten wird“, sagt Schwan mit Blick auf die drei Sozialarbeiter.

Sprachkenntnisse fehlen

„In manchen Notübernachtungen stammen inzwischen 50 bis 80 Prozent der Menschen aus Osteuropa“, sagt Robert Veltmann, Geschäftsführer der Gebewo, einem Träger der Kältehilfe. Die Rolltreppe rattert, während er die Probleme in den Notunterkünften schildert: Viele MitarbeiterInnen seien frustriert, da sie nur noch Haushaltstätigkeiten nachkämen. Denn die Sprachkenntnisse fehlten, um die Obdachlosen fachgerecht zu beraten. Diese Lücke sollen die Frostschutzengel schließen, die in diesem Winter zum ersten Mal zum Einsatz kommen.

Katarzyna Hudec ist eine von ihnen. Passend zu ihrer neuen Aufgabe trägt sie einen Haarreif in den blonden Locken, ihre Lippen sind knallrot geschminkt. „Wir stehen vor einer Mammutaufgabe“, sagt die Berlinerin mit polnischen Wurzeln. Bei Tagesanbruch spricht sie Obdachlose aus Osteuropa in den Notunterkünften an, klärt sie über ihre rechtliche Situation auf und begleitet ihre Behördengänge. Wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren wollen, kontaktiert sie die Botschaften.

Das Projekt läuft bis zum Ende der Kälteperiode im April. Vom Senat kommt keine Unterstützung – bislang kamen 80.000 Euro aus Spenden zusammen. Insgesamt gibt es in Berlin bereits ein Netzwerk aus 17 Notübernachtungen, 16 Nachtcafés und 13 Tagesstätten. Pro Nacht stehen laut Gewebo 430 Plätze zur Verfügung, der Senat geht von rund 500 benötigten Übernachtungsplätzen aus. Derzeit leben rund 10.000 Wohnungslose in Berlin, nach Einschätzung der Gewebo leben 500 bis 600 von ihnen auf der Straße.

JULIA AMBERGER