Ärger mit der braunen Wolke

UMWELTWer ein Haus oder ein Segelboot in Seehausen hat, muss regelmäßig den Dreck wegputzen, den die Stahlwerke verursachen. Nur die Segler werden dafür entschädigt

Die Bremer Stahlwerke produzieren Stahl – und Dreck Foto: Ingo Wagner/dpa

von Karolina Meyer-Schilf

Das Stahlwerk in Bremen gehört zu den umweltfreundlichsten seiner Art. Das sagt nicht nur der Betreiber Arcelor Mittal selbst, sondern auch die Bremer Grünen. Dreck verursacht das Stahlwerk trotzdem. Das weiß niemand besser als die Einwohner des Bremer Ortsteils Seehausen und die Segler im Hasenbürener Yachthafen. Seit vielen Jahren haben sie mit den Emissionen zu kämpfen, die bei Ostwind vom Stahlwerk auf der anderen Weserseite herüberwehen.

Meistens ist es schwarzer Staub, der sich auf Boote, Stege, Gartenmöbel und Häuser legt. Lästig, aber mit Wasser abwaschbar. Und, wie die von den EinwohnerInnen und BootseignerInnen in Auftrag gegebenen Labortests zeigten, nicht umwelt- oder gesundheitsschädlich.

Doch an manchen Tagen ist der Staub nicht schwarz, sondern braun. Das passiert, wenn der schwarze Eisenstaub an der Luft oxidiert, also rostet. Der frisst sich ins Plastik der Gartenstühle ebenso wie in den Glasfaserkunststoff der Boote – und geht nicht so einfach wieder weg. Der schlimmste Vorfall dieser Art war im Jahr 2009. AnwohnerInnen klagten über Atemnot, BootseignerInnen wandten sich an einen Anwalt.

Seither hat Arcelor Mittal auf Druck der Betroffenen viel Geld in Filteranlagen gesteckt und entschädigt die BootseignerInnen nach einem mit ihnen ausgehandelten System für entstehende Reinigungskosten: Bis zu 20 Euro zahlt das Unternehmen pro Quadratmeter Boot, wenn es ganz dicke kommt. Und das war im letzten Jahr immerhin sechs Mal der Fall. „So viele Beschädigungen haben wir noch nie gehabt“, sagt Werner Klinkat, der Vorsitzende der Hasenbürener Yachthafengemeinschaft. Das Ärgerliche daran ist nicht nur, dass ständig geschrubbt und geputzt werden muss. Denn die SeglerInnen können so lange nicht mit dem Putzen beginnen oder gar ablegen, bis sich ein Gutachter die Schäden angeschaut hat – „aus Beweissicherungsgründen“, erklärt Klinkat. Das kann in schwereren Fällen, die von der Versicherung des Stahlwerks reguliert werden, mehrere Tage dauern.

Seit Arcelor Mittal die Beschwerden der SeglerInnen ernst nimmt, hat sich das Verhältnis zwar deutlich gebessert, dennoch haben viele den Hafen inzwischen verlassen. „Es gibt schon einige, die vor den Emissionen geflüchtet sind“, sagt auch Werner Klinkat. Das hat einen weiteren, ungünstigen Nebeneffekt: Denn je weniger Festlieger in dem Hafen sind, desto mehr steigen die festen Kosten für den Einzelnen: Die Steg- und Sanitäranlagen müssen unterhalten, die Wasserpacht für den Hafen trotzdem bezahlt werden. „Ich rege mich nicht künstlich auf“, sagt Klinkat, Arcelor Mittal bemühe sich wirklich um Kooperation. „Aber ein Ärgernis ist es, und wir haben uns damit auch noch nicht abgefunden.“

Das Bremer Stahlwerk ist einer der großen Arbeitgeber in Bremen mit 5.000 Beschäftigten.

Anfang Mai traf sich Bürgermeister Carsten Sieling mit VertreterInnen von Arcelor Mittal, Gewerkschaften und dem Bremer Europa-Abgeordneten Joachim Schuster, um die Auswirkungen der derzeitigen EU-Verhandlungen um ein neues Emissionshandelssystem zu besprechen.

Dieses könnte für die heimische Stahlindustrie einen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Der EU-Umweltrat hat eine deutliche Reduzierung der Zuteilungen von CO2-Zertifikaten beschlossen, weshalb Stahlwerke mehr Zertifikate zukaufen müssten und damit weltweit schlechtergestellt würden – obwohl sie im Gegensatz zu chinesischen Stahlwerken umweltfreundlich arbeiten.

Ebenfalls nicht abgefunden haben sich auch die EinwohnerInnen von Seehausen: Die erhalten nämlich bislang keine Entschädigungszahlungen von Arcelor Mittal. „Wir sind da momentan auch in der Diskussion“, sagt Beiratssprecher Ralf Hagens (CDU). „Bei den Seglern ist es Sachbeschädigung, aber das ist es hier bei uns ja genau so.“ Bevor sich die Seehausener in ihre Gartenstühle legen können, ist erst mal Schrubben angesagt. „Wir wissen alle, es gibt keine Stahlproduktion ohne Emissionen“, zeigt sich auch Hagens verständnisvoll. „Aber die Beeinträchtigungen müssen auch nicht für ‚nothing‘ hingenommen werden“, so der Beiratssprecher. Immerhin seien die Hasenbürener zuerst da gewesen.

Seit 1954 wird auf der anderen Weserseite Stahl produziert – zuerst von Klöckner, seit der Übernahme von Arcelor Mittal. Dass das Problem der Stahlwerk-Emissionen dennoch erst in den letzten Jahren so richtig virulent wurde, erklärt Hagens so: „Erstens ist die Produktion heute intensiver als früher. Und es wird auch mehr hinterfragt, das Umweltbewusstsein ist heutzutage höher.“

Ob und wie sich die Seehausener mit Arcelor Mittal einigen werden, ist momentan noch unklar. Für die SeglerInnen allerdings zeichnet sich gerade eine ganz andere Lösung ab: Wie der Sprecher des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen Tim Cordßen auf Nachfrage der taz bestätigte, finden derzeit Gespräche zwischen der Yachthafengemeinschaft Hasenbüren und Arcelor Mittal über einen Umzug der SeglerInnen ans Lankenauer Höft statt. Dort könnte unter Beteiligung von Arcelor Mittal und flankiert vom Hafenressort künftig ein neuer Yachthafen entstehen – weit genug weg von den Emissionen des Stahlwerks.