EU-Kommission wittertDiesel-Gate all'italiana

Abgaswerte Die italienische Regierung soll nicht gegen die Manipulation bei Fiat vorgegangen sein

Bis zu 15-facher Ausstoß mit abgeschalteter Abgasreinigung

ROM taz | „Technische Avantgardelösungen“ biete der Fiat 500x, behauptet die Firmenwerbung. Womöglich ist unter der Motorhaube ein bisschen zu viel Avantgarde versteckt, die jetzt Italiens Regierung und dem Konzern Fiat Chrysler Automobiles (FCA) Ärger eintragen könnte. Die EU-Kommission nämlich leitete am Mittwoch ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Der Vorwurf: Die Regierung in Rom habe nichts gegen womöglich unzulässige Abschaltvorrichtungen bei der Diesel-Abgasregulierung unternommen.

Betroffen ist das Modell 500x. Techniker des deutschen Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wollen bei Messungen herausgefunden haben, dass sich just nach 22 Minuten die Abgasreinigung automatisch abschaltet. Das fügt sich gut: Die offiziellen Abgastests dauern 20 Minuten. Nach der Abschaltung, so das KBA, sei der Schadstoffausstoß auf das neun- bis 15-fache angestiegen.

Gar keinen Handlungsbedarf sah dagegen in den letzten Monaten Italiens Regierung. Ein Schlichtungsverfahren zwischen Deutschland und Italien, das den Gehalt der KBA-Vorwürfe klären sollte, endete im März ergebnislos. Italiens Verkehrsministerium nimmt den Standpunkt ein, unter der Motorhaube des Fiat 500x sei alles in bester Ordnung, bei eigenen Tests habe der Einsatz irregulärer Software nicht entdeckt werden können. Noch einen Tag vor Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens wandte sich der Verkehrsminister mit einem Brief an die EU-Kommission, in dem er das Verfahren als „besonders enttäuschend“ bezeichnete, da „die italienischen Behörden von Beginn an das Vorhandensein von illegalen Vorrichtungen in Fiat-Modellen ausgeschlossen haben“.

Den Schulterschluss zwischen Regierung und FCA mag zumindest Italiens größte Metallgewerkschaft, FIOM, nicht nachvollziehen. Ihr Verantwortlicher für den Automobilsektor, Michele De Palma, erklärte der taz, zu den Abgastests könne die FIOM zwar keine Position beziehen, das sei „Sache der technischen Experten“. Doch er wirft der Regierung vor, „immer nur zu reagieren, immer die Materie im Notstandsmodus zu bearbeiten“. Zudem seien endlich realistische Tests „von langer Dauer, auf der Straße“ und nicht im Labor geboten.

Zurückhaltend äußert sich vorerst Italiens größter Umweltverband Legambiente. Andrea Minutolo, Koordinator des Wissenschaftlichen Büros, erklärte, Italiens Regierung habe jetzt zwei Monate Zeit zu beweisen, dass die Tests korrekt waren. Sollte das allerdings nicht der Fall sein, dann handele es sich um „einen äußerst gravierenden Fall“. Schließlich sei die Luftverschmutzung im übermotorisierten Italien eines der Umweltprobleme Nummer eins.

Michael Braun