heute in Bremen
: „Wie prägend Punk war“

Lesung Jonas Engelmann und Benjamin Molden-hauer stellen das Buch „Damaged Goods“ vor

Jonas Engelmann

Foto: Ramon Haindl

38, gibt das Magazin testcard – Beiträge zur Popgeschichte mit heraus und arbeitet als Verleger im Ventil-Verlag.

taz: Herr Engelmann, „Damaged Goods“ feiert 40 Jahre Punk, fast genauso alt ist der Crass-Song „Punk is Dead“. Ist Ihr Buch eine Geburtstagsfeier, oder doch schon Leichenschau?

Jonas Engelmann: Weder noch. Es ist am ehesten ein Jubiläumsbuch, das die Idee von Jubiläen bescheuert findet, und das über den Titel auch offen ausstellt – und darüber, dass es zehn Jahre vor dem „Beginn“ von Punk ansetzt. In den 60ern.

Was war da los?

Bands wie die Monks oder Velvet Underground haben Punk musikalisch vorweggenommen, inklusive einer Rotzig- und Sperrigkeit gegenüber der Musikindustrie. Und „Macht kaputt was euch kaputt macht“, die Kampfansage der Ton Steine Scherben an die kapitalistische Gesellschaft, ist politisch nicht weit von dem entfernt, was später Crass oder die Dead Kennedys formuliert haben.

150 Beiträge sind viel, um nur die wichtigsten Bands zu zeigen – und zu wenig, um alles abzubilden. Wie kam die Auswahl zustande?

Das war eine Mischung aus Zufall und dem Versuch, dem öden Punkkanon einen freieren entgegenzustellen. Einiges Erwartbares kommt nicht vor, weil dazu einfach niemand schreiben wollte: The Damned etwa oder Exploited. Der Versuch war, allen Bands, egal ob sie Black Flag oder Brutal Verschimmelt heißen, den gleichen Raum zu geben, also den Kanon auch über die übliche Gewichtung aufzuweichen: je zwanzig Seiten Ramones, Sex Pistols, Clash und dann drei Zeilen zu den Minute­men, Slits und Team Dresch.

Punk kommt als Modegag ja immer mal wieder hoch. Lässt sich überhaupt noch fassen, worum es ursprünglich ging?

Ich bin ja selbst durch Punk geprägt, wenn auch von den Ausläufern der Hardcore-Szene der 90er, als mit Rot Grrrl und Bands wie Fugazi schon eine Selbstkritik an problematischen Entwicklungen stattgefunden hatte. Aus den persönlichen Zugängen im Buch kann man vielleicht als Außenstehender Punk nicht in Gänze verstehen, aber erkennen, wie prägend Punk für viele Menschen war. Wie man davon bis heute zehrt und etwa in Verlagen arbeitet, die nicht nur den Punk-DIY-Kollektivgedanken in der Gegenwart zu leben versuchen, sondern auch inhaltlich immer wieder auf dieses Thema zurückkommen.

Apropos: Der Ventil-Verlag prägt den pop-linken Diskurs stark und ist auch nicht ganz unschuldig an seiner Akademisierung. Ist „Damaged Goods“ Theoretiker-Punk?

Punktheorie ist das Buch nicht, aber vielleicht der angemessenste Zugang, wenn man nicht noch eine der immergleichen Punkgeschichteschreibungen publizieren will. 150 Zugänge statt einer Stimme, die sagt, was Punk ist und wer dazugehören darf. Das Buch ist vielleicht auch ein Versuch, der eigenen Akademisierung durch den Verlag selbstkritisch etwas entgegenzusetzen.

Interview Jan-Paul Koopmann

Lesung: Kukoon, 20.30 Uhr