heute in hamburg
: „Keine Gotteslästerung“

Skandal Szenische Lesung über Prozess gegen Pastoren wegen einer Luther-Satire von 1983

Ulrich Hentschel

Foto: privat

66, war lange Pastor in Altona und von 2010 bis 2015 Referent für Erinnerungskultur bei der Akademie der Nordkirche.

taz: Herr Hentschel, was war an Ihrem Luther-Schwank von 1983 so schlimm, dass ein Skandal daraus wurde?

Ulrich Hentschel: Der von einem unbekannten Autor verfasste Text, den ich und andere Pastoren in der linken Kirchenzeitschrift „Gegen den Strom“ veröffentlichten, war eine Satire auf Luther und auf das gängige Gottesbild, die ein Amtszuchtverfahren auslöste.

Auf wessen Betreiben?

Der rechtskonservative Itzehoer Pastor Jens Motschmann hat den Text bei der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands eingereicht und einen Skandal ausgelöst nach dem Motto: Wie können Pastoren so etwas Gotteslästerliches veröffentlichen?

War es gotteslästerlich?

Nein. Allerdings enthält der Schwank eine derbe Sprache und spielt mit Klischees, etwa der legendären Verstopfung Luthers. Besonderen Anstoß erregten Szenen, die Gottvater, Maria und Jesus als normale Familie zeigten.

Ein Beispiel?

Maria und Jesus geraten in Streit mit Gott, Maria schimpft: Ich habe diese Verarschung satt. Komm, mein Junge, wir gehen. Der Teufel kommt dazu: Störe ich? Maria macht sich mit dem Teufel auf den Weg, Jesus will ins Kino. Eine andere Szene zeigt die Empfangshalle des Kurfürsten, und in einer Ecke sitzt Luther angestrengt auf dem Klo und sagt: „Hier sitze ich. Ich kann nicht“.

Das ist schon grober Spott.

Ja, aber wir verspotten nicht Gott, sondern falsche Gottesbilder, die Gott zum allmächtigen Vater verklären.

Was die Kirche zum Amtszuchtverfahren veranlasste.

Ja, eine Art Disziplinarverfahren. Ungewöhnlich war in unserem Fall, dass eine inhaltliche Frage als Verletzung von Dienstpflichten behandelt wurde. Einige forderten Berufsverbote.

Wie ging es aus?

Nach einer 24-seitigen Anschuldigungsschrift, mehreren Gutachten und etlichen Plädoyers bekamen wir die niedrigstmögliche Strafe: Verweise und Verwarnungen.

Warum haben Sie angeregt, dass Michael Batz das jetzt in einer szenischen Lesung aufgreift?

Wir wollen an die Wellen, die das Verfahren schlug, erinnern. Außerdem ist es – wie unsere morgige Tagung zu Gotteslästerung und Satire – ein gutes Aperçu zum aktuellen Hype, der Luther wieder einmal als Nationalhelden inszeniert.

Skandalon/Prozess um die Freiheit von Christenmenschen: heute und morgen, 20 Uhr, Christianskirche, Klopstockplatz. Eintritt frei