MUSIK

MusikThomas Mauchhört auf den Sound der Stadt

Muss man sich jetzt wirklich umgewöhnen musikalisch, weil plötzlich jazzverliebter Fado die Sache ist, auf die sich alle einigen können und Melancholie die Menschen tatsächlich einmal mehr ansprach als das Frohsinnsgeballere drum herum?

Hinterher, nachdem der portugiesische Sänger Salvador Sobral die Trophäe eingesackt hatte mit seinem Lied, hat man das natürlich schon immer gewusst. „Endlich“, schrieb die Süddeutsche,„mal einer, der nicht brüllte und hampelte, sondern das machte, was beim ESC traditionell zu kurz kommt: Musik.“

An diesem Stichwort mag man sich mal festhalten. Musik.

Bei einem erweiterten Worldvision Song Contest in dieser Woche in Berlin muss dann Bryan Ferry,der stilvolle Sänger mit Roxy-Music-Vergangenheit, als Favorit gelten. Ferry kommt am Freitag ins Tempodrom (Möckernstr. 10, 20 Uhr, VVK: 40–72 €).Aber man weiß es halt im Voraus nicht. Zumal hier in dieser Woche gar nicht immer gesungen werden muss und man sich musikalisch auch weit hinauswagen darf. Bei Kreidlerheute am Donnerstag in der Kantine am Berghain kann man dabei mit dem präzise in Ordnung gebrachten Pochen und Pluckern diesen Düsseldorfer Tribalismus hören, den die Band seit den Neunzigern und auch auf ihrem aktuellen Album pflegt. Es heißt, selbst wenn nicht gesungen wird, „European Song“ (Am Wriezener Bhf., 21 Uhr, 22 €).

Gesungen wird wieder im Collegium Hungaricum, in dem man sich am Freitag in einer Performance (unter anderem mit Sängerin Veronika Harcsa und dem Schlagwerker Balázs Pándi) Lajos Kassák(1887–1967) widmet, einem ungarischen Rundumkünstler mit Links zum Expressionismus, Futurismus und Dadaismus, dessen Gedichte hier in eine behutsam zupackende Musik eingeschlagen werden, die Free-Jazz-erprobt bis zum Bossa raus tanzt (Doro­theen­str. 12, 19 Uhr, Eintritt frei).

Mit Zuriaakeam Montag im Urban Spree bekommt man einen mit Schmackes und Pomp servierten majestätischen Black Metal, bei dessen Schreiröcheln gar nicht zu unterscheiden ist, ob sich diese aus Nanchang/China kommende Band nun in Chinesisch oder sonst einer Sprache ausdrückt (Revaler Str. 99, 22 Uhr, 14 €).Am Mittwoch empfiehlt sich die Konferenzschaltung zwischen dem Monarch (Skalitzer Str., 134, 21 Uhr, 11 €)mit Jakuziaus Istanbul – ein den Achtzigern abgepauster Synthiepop mit der Irritation, dass hier Türkisch gesungen wird – und der Berghain-Kantine, wo Jacopo Incani alias Iosonouncaneeinen zappeligen Mix aus Musiken für experimentelle Gruselfilme und leichtherzigem Italo-Pop anbietet (Am Wriezener Bhf., 21 Uhr, 13 €).

So einen bunt beballerten ESC, das würde man sich doch mal wünschen.