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American PieMotivation durch Missachtung

BASKETBALLRudy Gobert wird wohl nicht zum besten NBA-Verteidiger gewählt. Die Utah Jazz, sein Klub, sind froh darüber

Salt Lake City gilt in den NBA-Führungsetagen nicht umsonst als „Himmel“ für die Spieler. Was die Funktionäre als paradiesische Zustände wahrnehmen, ist für die Aktiven eher die Hölle. Die Hauptstadt des Mormonenstaats Utah ist nicht sonderlich beliebt. „Es gibt dort überhaupt kein Nachtleben“, sagt Forward Matt Barnes von den Golden State Warriors aus dem kalifornischen Oak­land. „In Utah sitzt du einfach nur herum und wirst eingelullt“, legt Barnes’ Teamkollege Andre Iguodala nach.

Dabei dürfte dem Titelkandidaten in den Conference Semifinals der NBA-Play-offs am meisten Utah Jazz-Center Rudy Gobert zu schaffen machen. Der 24-Jährige ist gegen die Kalifornier besonders motiviert. „Das ist alles doch schon längst entschieden“, giftet Gobert, wenn er auf die Auszeichnung zum besten Verteidiger der abgelaufenen Saison angesprochen wird und darauf, dass er wohl nur auf den Plätzen landen wird. Favorit auf den Preis ist Warriors-Forward Draymond Green. Er ist bekannt als Reizfigur auf dem Parkett, begnadeter Verteidiger ebenso wie provokanter, extrovertierter Rüpel. „Wenn ich Clowns sehen will, gehe ich in den Zirkus“, sagt Gobert.

Den Jazzaber kann gar nichts Besseres passieren als ein angesäuerter Gobert. „Aktuell bin ich der beste Center der Liga“, sagte Gobert schon im vergangenen Dezember. Vor allem in der Defensive werden ihm nur wenige widersprechen. Mit 12,8 Rebounds pro Spiel lag er ligaweit auf Platz vier, seine 2,7 Blocks pro Partie waren sogar Bestwert. Nicht ohne Grund hatten die Jazz in der gerade abgelaufenen regulären Saison die mit Abstand beste Verteidigung der Liga. Nur 96,8 gegnerische Punkte ließ Utah zu.

Goberts Präsenz auf dem Spielfeld alleine kann eine Partie verändern. Sein großer Vorteil: die enorm langen Arme. Aus dem Stand reicht der 2,16-Meter-Mann in 2,92 Meter Höhe, er hat eine Spannweite von 2,36 Metern – kaum ein Gegenspieler kommt da vorbei. In der Zone direkt unter dem Korb ließ er nur eine Trefferquote von 48,6 Prozent zu, der Ligaschnitt liegt bei 60. „Ich würde wahnsinnig gerne gewinnen“, sagt Gobert selbst über die mögliche Auszeichnung zum besten Verteidiger. „Die Leute sollen auf die Statistiken und meinen Einfluss auf das Spiel schauen und sich dann ihre eigene Meinung bilden.“ Letzten Mutmaßungen zufolge liegt allerdings Green in der Gunst der abstimmenden Journalisten vorne.

Es wird Gobert nur anstacheln – wie andere Enttäuschungen zuvor. 2013 kam der französische Nationalspieler in die NBA, hatte zuvor bereits drei Jahre Erfahrung beim Spitzenklub Cholet Basket in seiner Heimat gesammelt. Beim Draft, der alljährlichen Talentauswahl, fiel der eingangs hoch gehandelte Gobert bis auf Platz 27 zurück. Zweifel an seiner Physis und Athletik waren aufgekommen. Als Motivation wählte Gobert in Utah daher die Rückennummer 27.

Nach nur spärlicher Einsatzzeit in seiner ersten Saison begann Goberts Aufstieg im zweiten Jahr, schnell erspielte er sich einen dauerhaften Platz in der Anfangsformation. 2016/17 war nun die statistisch beste Spielzeit seiner Laufbahn. Als er im Februar weder in der Fan-Abstimmung noch als Reservespieler zum All-Star-Game durfte, reagierte Gobert auf seine Art. Im März steigerte er seine Zahlen noch einmal auf 13,5 Rebounds und 2,9 Blocks pro Spiel, auch offensiv stieg der Schnitt von 12,8 auf 17,3 Punkte. „Ich hatte ihm eine Nominierung gewünscht, aber ich war auch glücklich, dass er keine bekam“, sagt Jazz-Headcoach Quin Snyder.

„Wir hoffen, dass er unsere Version von Bill Russell wird“, erklärt Utahs General Manager Dennis Lindsey. NBA-Ikone Russell gewann als Spieler und Trainer mit den Boston Celtics elf Meisterschaften in den 50ern und 60ern und gilt bis heute als Inbegriff des besonders defensivstarken Centers. David Digili

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