Haufenweise Geld zu verteilen

FINANZEN Wegen der guten Wirtschaftsentwicklung steigen die Steuereinnahmen. Nun wird über Steuerentlastungen, Investitionen oder höhere Sozialleistungen diskutiert

Hat ein paar Moneten zu verteilen: Finanzminister Wolfgang Schäuble Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Aus Berlin Hannes Koch

Die deutschen Steuereinnahmen werden in den kommenden Jahren solide weiterwachsen. Das ist das Ergebnis der neuen Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstag präsentierte. Demnach verfügen die gegenwärtige und die neue Bundesregierung ab Oktober über finanziellen Spielraum für zusätzliche Ausgaben, ohne dafür Schulden machen zu müssen. Die Debatte dreht sich nun darum, wie groß der finanzielle Spielraum ist – und wofür er verwendet werden soll.

Im Vergleich zur Steuerschätzung vom vergangenen November können Bund, Länder und Gemeinden mit insgesamt 54,2 Milliarden Euro mehr zwischen 2017 und 2021 rechnen. Die Summe der Steuereinnahmen soll von 732 Milliarden in diesem Jahr auf 852 Milliarden in 2021 wachsen.

Beim Bund sollen die Einnahmen von 308 Milliarden (2017) auf 353 Milliarden (2021) steigen. Der Zuwachs im Vergleich zur vergangenen Schätzung ist hier mit drei Milliarden Euro am geringsten, weil zwischendurch auch Mindereinnahmen wegen einer bereits beschlossenen kleinen Steuerentlastung zu Buche schlagen. Länder und Kommunen dürften bis 2021 dagegen deutlich mehr profitieren.

Die Erlöse des Staates nehmen zu, weil die Wirtschaft gut läuft und die Zahl der Arbeitsplätze steigt. Die Schätzer nehmen an, dass die Bruttolöhne in diesem Jahr um 3,9 Prozent zulegen, deutlich über der Inflationsrate.

Angesichts dieser Lage plädieren Union und FDP dafür, die Steuern zu senken – allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Schäuble wirbt für eine Entlastung von rund 15 Milliarden Euro pro Jahr. Unter anderem sollen die Abgaben für die Mittelschicht sinken. Der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU (MIT) schwebt dagegen Größeres vor. Deren Vorsitzender Carsten Linnemann fordert unter anderem höhere Freibeträge für Arbeitnehmer, sowie geringere Steuersätze für die Mittel- und Oberschicht. Das könnte bis zu 30 Milliarden Euro jährlich kosten. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie beziffert die Kosten der MIT-Vorschläge dagegen auf bis zu 42 Milliarden Euro pro Jahr.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte: „Wir brauchen nach der Bundestagswahl eine Steuerreform mit der schrittweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags, dem endgültigen Abbau der kalten Progression, eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sowie eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer.“ Laut FDP-Chef Christian Lindner hat die „Gier des Staates kleptokratische Züge angenommen“. Angesichts der Mehreinnahmen seien „30 bis 40 Milliarden Euro jährliche Entlastung bis Ende des Jahrzehnts erreichbar“.

Für FDP-Chef Lindner hat die „Gier des Staates klepto­kratische Züge“

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erklärte, der Staat müsse mehr in Bildung und Infrastruktur investieren. Nach der Landtagswahl in NRW will Schulz offenbar einen Vorschlag für eine Steuerreform machen.

Die Grünen betonten eine soziale Zielrichtung. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verlangte, die Steuermehreinnahmen gezielt für die Bekämpfung von Armut und Einkommens­ungleichheit einzusetzen. Mit rund 12 Milliarden Euro Kosten pro Jahr will die Partei eine höhere Kindergrundsicherung und einen Kindergeldbonus einführen.

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