Bauen auf Kredit

Neubauten Berlin braucht schnell neue Schulen. Ein Landesbetrieb Schulbau soll es richten

Ganz fix: Schnellbau für eine Schule in Lichtenberg

Im Frühjahr 2015 sitzt Claudia Engelmann auf einer Parkbank vor der Grundschule an der Victoriastadt in Lichtenberg. Die Elternvertreterin ist sauer: Die Schule müsse immer mehr Kinder aufnehmen, Freizeiträume würden aufgezehrt für dringend benötigte Klassenzimmer. Der Hoffnungsschimmer: Die Schule nahe der Rummelsburger Bucht soll einen Schnellbau für rund 150 Schüler bekommen.

Zwei Jahre später hat die Schule noch immer keine Erweiterung bekommen. Zwar hat der Bezirk bereits 2015 den Bedarf angemeldet – doch Gelder gab es bisher nicht. Lange Bauzeiten bei seinen Schulen kann sich Berlin aber nicht mehr leisten. Die Prognose der Bildungsverwaltung rechnet bis 2025 mit einem Zuwachs von 70.000 Schülern, das ist ein Plus von 25 Prozent. Insbesondere die östlichen Bezirke Pankow (plus 30 Prozent) und Lichtenberg (plus 47 Prozent) betrifft das. Mehr als die Hälfte der geplanten 42 Neubauten entstehen dort.

Das Problem der wachsenden Stadt ist allerdings keins, das sich lösen lässt, indem man lediglich mehr Geld in Neubauprogramme pumpt. Und fix aus dem Boden gestampfte Fertigbauten, die sogenannten Modularen Ergänzungsbauten, nehmen nur kurzfristig den Druck. In Lichtenberg entstehen bis 2025 ein Drittel der 5.000 benötigten Grundschulplätze aus den standardisierten Schnellbauten, die in rund zehn Monaten fertig sind – allerdings weder über Fachräume verfügen noch das Problem der über­füllten Turnhallen und Mensen lösen.

Nachhaltiger Neubau, das hat auch die Politik erkannt, ist eine Systemfrage. Die erste Maßnahme: Man dampft die Planungsprozesse radikal ein. Tatsächlich entlastet das Pilotprojekt Schulbaubeschleunigung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die kleinschrittige Bauplanung um einige Prüfprozesse. Und das Wichtigste: Bis zur Auftragsvergabe an die Baufirmen darf nun „durchgeplant“ werden, selbst wenn noch keine Gelder im Haushalt da sind. Die eingesparte Wartezeit: bis zu vier Jahre. Zwei Grundschulen sollen in Lichtenberg so gebaut werden. Insgesamt elf Schulen sind es in Berlin. Baubeginn in Lichtenberg sei noch dieses Jahr, sagt Schulstadtrat Wilfried Nünthel (CDU), „in zwei Jahren sind wir fertig“.

Am zweiten Turbo arbeitet die Senatsverwaltung für Finanzen gerade mit Hochdruck: ein Landesbetrieb Schulbau, der Ende 2018 kommen soll. Die Idee: Man finanziert den Schulneubau und Sanierungsvorhaben über 5,5 Millionen Euro zum Teil mittels Krediten. Die Darlehen bedient man mit Mieteinnahmen, die die Bezirke der Landesgesellschaft für die Nutzung der Gebäude zahlen. So wäre man unabhängiger vom Haushaltsbudget, die Planung liefe zentral in einer Behörde zusammen. 25 Prozent schneller bauen, das sei möglich, schätzt Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD).

Es ist die weitreichendste Maßnahme, die Details sind noch nicht ganz klar. Klar ist nur: Berlin ist bis 2020 Konsolidierungsland. Zumindest vorerst müsste ein solcher Landesbetrieb zum Beispiel an ein (oder mehrere) Wohnungsbauunternehmen andocken – weil dies seine Gewinne vorwiegend selbst erwirtschaftet, würde eine Kreditaufnahme wohl nicht dem Landeshaushalt angelastet.

CDU-Schulstadtrat Nünthel hebt bei dem Wort Landesbetrieb eine mahnende Augenbraue: „Da sehe ich die Gefahr eines Schattenhaushalts. Zudem sei mal dahingestellt, ob eine zentrale Behörde den unterschiedlichen Bedarf in den Bezirken gut händeln kann.“ Letzteres sei dahingestellt, Ersteres lässt Kollatz-Ahnen nicht gelten: „Es geht nicht um Schattenhaushalte, sondern um statistische Zuordnungen.“ Also um die Frage, wann Darlehen auf den Haushalt angerechnet werden und wann nicht.

Eine wichtige Frage: Nach 2020 greift auch für Berlin die Schuldenbremse – auf Pump gebaute Schulen muss man sich dann leisten können.

Anna Klöpper