Linkspartei kämpft gegen ihren Schatten

Die Linkspartei fordert den Rücktritt der Stasi-Bundesbeauftragten Marianne Birthler, weil diese über inoffizielle Geheimdienstmitarbeiter in der Fraktion spekuliert hatte. Kulturstaatsministerin Weiss will alle Abgeordneten überprüfen

VON KLAUS JANSEN

Fünfzehn Jahre und zwei Namensänderungen nach der deutschen Einheit muss sich die Linkspartei erneut mit ihrer DDR-Vergangenheit auseinander setzen. Bodo Ramelow, der Wahlkampfleiter der Sozialisten, forderte am Wochenende den Rücktritt der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler. Birthler hatte zuvor in einem Zeitungsinterview erklärt, dass mindestens sieben Abgeordnete der neuen Linkspartei-Bundestagsfraktion als inoffizielle Mitarbeiter (IM) für die Stasi gearbeitet hätten.

Vertreter der Linkspartei reagierten empört auf die Äußerungen Birthlers – vor allem, weil die Bundesbeauftragte keine konkreten Namen oder Verdachtsmomente nannte. „Das ist eine politisch motivierte Pauschalverurteilung mit ideologischem Schaum vor dem Mund“, sagte Wahlkampfchef Ramelow der taz. Birthler habe „jegliche Achtung vor den Menschen in unserer Fraktion vermissen lassen“ und müsse deshalb ihr Amt räumen. Denn auch wenn ihre Äußerungen „keinen Faden Neuigkeit“ offenbarten, bleibe vor allem bei westdeutschen Bürgern der Eindruck hängen, die Linkspartei sei von Stasi-Mitarbeitern durchsetzt, so Ramelow.

Tatsächlich sind Birthlers Aussagen zumindest unglücklich: Ein Sprecher ihrer Behörde musste einräumen, dass sich die Zahl sieben nicht auf die gewählten Abgeordneten, sondern lediglich auf die aussichtsreichen Listenkandidaten der Partei bezogen habe. „Es ist schon traurig, wenn eine Frau mit ihrer Funktion nicht einmal die Namen unserer Abgeordneten studiert“, hieß es dazu aus der Linkspartei.

Ungeachtet dessen ist dennoch eine neue Debatte über mögliche IM-Tätigkeit von Abgeordneten in Gang gekommen. Wie Birthler sprach sich auch die noch zuständige Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) für eine Überprüfung aller Parlamentarier aus. „Es ist für mich ein unerträglicher Gedanke, dass in einem frei gewählten Parlament Anwälte der Unfreiheit sitzen“, sagte Weiss. Die Grünen-Abgeordneten Silke Stokar und Peter Hettlich schlossen sich dieser Forderung an.

Die Linkspartei lehnt eine Pflichtüberprüfung ihrer Abgeordneten jedoch ab. Eine Sondervorschrift für seine Fraktion nehme er „garantiert nicht“ an, sagte Fraktionschef Gregor Gysi. Gegen Gysi waren in der Vergangenheit immer wieder Stasi-Vorwürfe erhoben worden, vor Gericht konnte ihm eine Kooperation mit dem Geheimdienst jedoch nie nachgewiesen werden. Dies werde sich nicht ändern, so Wahlkampfchef Ramelow: „Unsere Leute sind doch schon zigmal durchgebirthlert worden.“

Juristisch und parlamentarisch drohen ehemaligen IM in der Regel keine Konsequenzen. Die ehemalige PDS gehe allerdings parteiintern gegen Stasi-Spitzel vor, die ihre Vergangenheit verschwiegen, sagte Ramelow. Für diejenigen, die sich offen zu ihrer Geschichte bekennen, forderte er Vergebung: „Wenn jemand alles sagt, muss auch irgendwann mal gut sein.“

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