BEI LILLA UNTERM SOFA

VON LILLA SØLHUSVIK Die Journalistin und der stellvertretende Außenminister: Sie sind ein Paar aus Norwegen. Wie die zwei die Familie managen – von ihr selbst erzählt

■ Deutschland: 14 Monate für Elternpaare bei maximal 67 Prozent Ersatzeinkommen. Sowohl Väter als auch Mütter dürfen jeweils exklusiv zwei Monate nehmen.

■ Norwegen: Ab 2013 gibt es 47 Wochen bei voller Bezahlung oder 57 Wochen bei 80 Prozent des Lohns. 14 Wochen darf nur die Mutter, 14 Wochen nur der Vater in Elternzeit gehen.

Als mein Mann zum norwegischen Botschafter in Spanien berufen wurde, schenkten ihm seine Kollegen im Ministerium ein Paar Unterhosen zum Abschied. Als ich abends das Päckchen sah, wurde ich nervös: Warum schenkten ihm seine Kollegen, viele von ihnen weiblich, neue Unterhosen?

Damals war er Stabsleiter des Außenministeriums – die Leute gingen bei ihm ein und aus. Etwa zweimal die Woche musste er das Büro kurz nach vier Uhr verlassen, um unsere Söhne von der Schule und vom Kindergarten abzuholen. Kam dann jemand in sein Büro, bot er an, das Gespräch auf den nächsten Tag zu vertagen, oder zu reden, während er den Anzug gegen fahrradtaugliche Kleidung austauschte. Offenbar hatten viele vorgezogen zu bleiben.

Bei uns zu Hause war die Frage, wer sich um die Kinder kümmert, nie eine Diskussion. Mein Mann wusste, dass ich als voll berufstätige Journalistin mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen habe wie er. Als politische Korrespondentin für den öffentlichen Rundfunk in Norwegen konnte ich keine unfertigen Beiträge abgeben, nur weil ich die Kinder abholen musste.

Planung ist in einer Familie wie der unseren entscheidend – mit zwei Kindern und zwei Karrieren. Unser ältester Sohn, Hermann, ist elf, unser jüngerer, Bo, sieben. Seit sie da sind, müssen wir unsere Arbeitszeiten nach den Öffnungszeiten von Kindergarten und Schule richten, normalerweise von 8 bis 17 Uhr. Dabei helfen uns eine flexible Arbeitszeitgestaltung und eine Unternehmenskultur, in der es normal ist, wegen der Kinder das Büro zu verlassen. Weder bei uns im Rundfunk noch im Ministerium sind Besprechungen nach 16 Uhr üblich. Lunchpausen mit Freunden, so etwas kennen wir nicht.

Für mich und meinen Mann war es oft eine Herausforderung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Aber es war möglich – und das ist der große Unterschied zu anderen Ländern. Frauen wie ich müssen sich nicht zwischen Kindern und Karriere entscheiden. 80 Prozent der norwegischen Frauen arbeiten. Und das auch, nachdem sie Kinder bekommen haben. Aber das wäre nicht möglich ohne eine Reihe politischer Weichenstellungen, verbunden mit bestimmten Sozialleistungen.

Als mir die Leitung eines 24-Stunden-Nachrichtenkanals angeboten wurde, war ich mit meinem jüngsten Sohn im vierten Monat schwanger. Für den Sender bedeutete das, dass man für mich nach ein paar Monaten bereits eine Vertretung suchen musste. Und als ich nach der Elternzeit zurückkam, hatte ich wieder Anspruch auf genau diesen Job. Es ging also, sowohl für mich als auch für meinen Arbeitgeber.

Als 2001 unser ältester Sohn geboren wurde, war es für Väter noch nicht normal, drei Monate zu Hause zu bleiben. Meine Stiefmutter stand unter Schock, als mein Mann sie besuchte, den Kindern die Windeln wechselte und sie fütterte, „wie eine richtige Mutter“, berichtete sie mir am Telefon. Für mich kam es nie infrage, mich zur Expertin in Sachen Erziehung aufzuschwingen. Wir sind beide Eltern, beide Amateure und Experten zugleich. Bei uns zu Hause wenden sich die Kinder an denjenigen, der physisch gerade am nächsten ist, wenn sie sich wehgetan haben oder etwas brauchen. Als ich beruflich im Mittleren Osten unterwegs war, habe ich meine Söhne vermisst, wusste aber genau, dass sie gut versorgt sind und sicher nicht im Winter halb angezogen nach draußen gehen. Da mein Mann der bessere Koch ist, bekommen sie bei ihm auch das bessere Essen.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Diskussion um die Väterquote verändert. Am Anfang ging es immer darum, das Arbeitsleben für die Frauen einfacher zu machen. Seit ein paar Jahren geht es aber auch um das Recht der Väter, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. 2013 möchte die Mitte-links-Regierung in Norwegen die Elternzeit dreiteilen: 14 Wochen für Mütter, 14 Wochen für Väter, über den Rest können die Paare selbst entscheiden. Das Angebot ist nicht übertragbar: Wenn der Vater nicht 14 Wochen Elternzeit nimmt, verfällt es.

Die Konservativen lehnen diese Idee ab, sie möchten, dass die Familien selbst entscheiden und der Staat sich nicht in das häusliche Leben einmischt. Aber die Regierung besteht auf einer gesetzlichen Regelung in dieser Sache, weil die gesellschaftliche Veränderung sonst zu langsam vorankommt.

Die Idee dahinter ist, dass Frauen mit Kindern nur dann beruflich erfolgreich sein können, wenn die Väter zu Hause ihren Teil tun. Die Erfahrung zeigt, dass in diesem Bereich nur gesetzliche Regelungen wirklich etwas verändern. Bevor die Väterquote eingeführt wurde, blieben nur 900 Väter während der Elternzeit zu Hause. Inzwischen machen 40.000 Männer im Jahr von dieser Möglichkeit Gebrauch – zwei von drei. Und es gibt inzwischen auch ausreichend qualifizierte Betreuung für alle Kinder zwischen ein und sechs Jahren.

Eine spanische Freundin ist von unserem System fasziniert – und sieht es zugleich kritisch. Ihrer Beobachtung nach sind die meisten norwegischen Eltern extrem gestresst und erschöpft. Sie hat nicht ganz unrecht: Wir hetzen von der Arbeit zu den Schulen und holen unsere Kinder ab. Dann kochen wir, bevor wir die Kinder zum Fußball, zum Klavier oder sonst wohin bringen. Sind sie schließlich im Bett, gehen wir noch joggen oder setzen uns noch mal zum Arbeiten an unseren Computer.

Das Leben in Norwegen ist in mancher Hinsicht hart. Wir haben keine Haushaltshilfe oder ein Au-pair. Mein Mann ist jetzt stellvertretender Außenminister, aber er holt noch immer die Kinder von der Schule ab, und er muss das Haus sauber halten. Meine Jobs waren es zuletzt, mein Buch fertig zu schreiben, die Wäsche zu machen und den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Ich trug die Verantwortung, wenn mein Mann auf Reisen war. Er übernahm die Kinder dann an den Wochenenden.

Ich wollte nie Teilzeit arbeiten. Für mich ist meine Arbeit ein wichtiger Teil meiner Identität. Bisher haben mein Mann und ich es geschafft, unsere Leben so zu organisieren, dass wir beide voll arbeiten können. Das ist eine Wahl, die wir getroffen haben, auch wenn sie nicht immer einfach ist. Wenn man eine gleichberechtigte Partnerschaft führen will, darf man niemals den Job des anderen wichtiger nehmen als den eigenen. Ich bekam meine Position im norwegischen Fernsehen, als mein Mann noch Student war. Ich war bereits eine angesehene Journalistin, als er beim Außenministerium anfing – und sein Gehalt war deutlich niedriger als meins. Trotzdem haben zu diesem Zeitpunkt weder er noch ich meine Arbeit als die wichtigere angesehen.

Wenn Frauen wie ich Hausfrauen wären, würde das Bruttoinlandsprodukt um 15 Prozent sinken. Das zeigt: Sozialleistungen wie Elternzeit, Kindergarten und unbezahlter Urlaub, wenn die Kinder krank sind, zahlen sich langfristig aus. Immer wieder diskutieren Psychologen und andere Experten darüber, ob unser anstrengendes Zwei-Karrieren-Leben der richtige Weg für alle Familien ist. Ich kann nicht viel über andere sagen. Aber ich weiß, dass meine Kinder – Hermann und Bo – möchten, dass ich arbeite. Weil es mich glücklicher macht. Und weil das hier in Norwegen alle Mütter tun.

Aus dem Norwegischen von Susanne Amann

Lilla Sølhusvik, 45, arbeitet beim staatlichen Norwegischen Rundfunk. Nach ihrer Hochzeit mit dem Diplomaten Torgeir Larsen lebte das Paar (erst ohne, dann mit Kindern) in Gaza und Madrid, heute in Oslo. Er ist stellvertretender Außenminister. Sie hat ihr erstes Buch veröffentlicht.