»OH MEIN HELD OBAMA«

VON SIMONE SCHLINDWEIN Um ihr Handy aufzuladen, muss Ugandas bekannteste Bloggerin sieben Stunden laufen

Rosebelle Kamugire reibt sich die müden Augen. Die ganze Nacht hat die Uganderin vor dem Fernseher verbracht, um die Präsidentschaftswahlen in den USA zu verfolgen. Am frühen Morgen musste sie direkt los zur französischen Botschaft in Ugandas Hauptstadt Kampala, um dort ihr Visum zu beantragen. Jetzt, am Nachmittag, sitzt sie in ihrer Stammkneipe „Just Kicking“, schlürft Ingwerlimonade und greift zur druckfrischen Ausgabe der ugandischen Tageszeitung. „Oh, mein Held Obama“, sagt sie, lächelnd, zückt ihr Handy und knipst ein Foto von der Titelseite. Zwei Klicks später prangt das Foto auf Kamugires Facebookseite. Freunde aus aller Welt klicken den Like-Knopf oder kommentieren den Post.

Kamugire ist Ugandas Jetset-Queen: Wenn sie nicht gerade im Flugzeug nach New York, São Paulo oder Tokio sitzt, dann rennt sie in Kampala den Botschaften von Frankreich, Katar oder der Elfenbeinküste die Türen ein. Die 29-jährige Journalistin zählt zu Afrikas berühmtesten Bloggerinnen und als solche wird sie im Wochentakt zu internationalen Konferenzen über Frauen und neue Medien rund um die Welt geladen. Denn Kamugire ist so gar nicht das, was sich der Rest der Welt unter einer jungen afrikanischen Frau vorstellt. „Stell dir vor, wenn ich ein Visum für Europa beantrage, muss ich die Frage über mich ergehen lassen, ob ich mich dort prostituieren will“, erzählt sie und rauft sich dabei die kurzen Rastazöpfe, die nach allen Seiten von ihrem Kopf abstehen. Und fängt an, zu lachen.

Kamugire hat in Costa Rica Medienwissenschaften studiert und an der amerikanischen Tufts University ihren Master in Konfliktstudien gemacht. Doch für sie war klar: Sie will in Uganda leben und arbeiten. Jetzt ist sie selbstständige freie Journalistin, produziert Filmdokumentationen über Frauen und Krieg und bloggt und bloggt und bloggt.

„Die neuen Medien und sozialen Netzwerke ermöglichen meiner Generation junger Frauen, uns auszudrücken, und das ist einfach wundervoll“, sagt sie und nickt dazu. Dann erzählt sie von ihrem Elternhaus. Kamugire ist in einem abgelegenen Dorf aufgewachsen.

Ihre Großmutter kann bis heute weder lesen noch schreiben, ihre Mutter hat nur die Grundschule besucht. Bis heute gibt es noch keinen Stromanschluss in ihrem Heimatdorf: „Doch stell dir vor, wenn ich in meinem Jugendbett liege, dann surfe ich mit meinem Handy im Internet“, erzählt sie. „Wenn dann allerdings die Batterie von meinem Smartphone leer ist, muss ich sieben Kilometer laufen, um das Handy aufzuladen.“

In Uganda gibt es seit der Verfassungsänderung 1995 eine 50-Prozent-Quote für Frauen in der Politik: Jeder Wahlbezirk wählt für jeden Mann auch eine Frau als Abgeordnete ins Parlament. „Das hat dazu geführt, dass Frauen in der von Männern dominierten politischen Welt zwar präsent sind“, Kamugire nickt wieder und hebt den Zeigefinger. „Aber was wir brauchen, um uns politisch durchzusetzen, ist Qualität und nicht Quantität.“ Es gebe unter diesen weiblichen Abgeordneten nur wenige, die sich tatsächlich für die Interessen der Frauen starkmachen, beispielsweise gegen die hohe Sterberate im Mutterbett.

Als dann doch ein paar wütende Politikerinnen auf die Straße gingen und wegen dieser Tragödie demonstrierten, seien sie bei der Verhaftung von den Polizisten „an den Titten begrapscht“ worden, erzählt Kamugire empört. Immerhin: Auf Facebook und Twitter habe das unter den ugandischen Frauen für Entrüstung gesorgt.

Simone Schlindwein, 32, lebt seit vier Jahren in der ugandischen Hauptstadt Kampala in Afrika. Sie schreibt über die Region der Großen Seen als Korrespondentin für die taz– und fühlt auch mal den Rebellen auf den Zahn. Sie liebt es, mit Geländewagen auf afrikanischen Dreckspisten zu fahren.