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Sportpsychologen sind Leistungsoptimierer – und keine Problemlöser

Hirntraining ist in. „Gewinnen ist Kopfsache“, „Trainieren Sie im mentalen Kraftraum!“, „Der Wille zum Sieg – Steigern Sie Ihre Leistung um 78 Prozent“. Im Netz wimmelt es nur so von Sportpsychologen, die ihre Dienste anpreisen. Die sind gefragt. Schon lange nicht mehr werden sie als windelweiche Seelentröster belächelt. Sie haben ihren Platz gefunden in den Trainerteams der großen Klubs, der Nationalmannschaften. Sie haben einen eindeutigen Auftrag: Der Sportler soll mental so getunt werden, dass er zum richtigen Zeitpunkt die optimale Leistung abrufen kann.

Eine intensive psychologische Betreuung, ausgehend von einer umfassenden Analyse, gehört meist nicht zum Standardprogramm eines Sportpsychologen. Kein Wunder, dass auch Dieter Hermann, seit 2004 Sportpsychologe der deutschen Fußballnationalmannschaft, von Roberts Enkes Depressionen nichts geahnt hat. „Man kann sich die eigene Stärke buchstäblich einreden“, hat er einmal gesagt. Den Sportlern beizubringen, wie das geht, das ist sein Job.

Wer Probleme hat, lernt Techniken, wie er diese am Wettkampftag unterdrücken kann. Es geht um den Erfolg des Sportlers, nicht um seine Gesundheit. Dass in den USA auf beinahe jeden Sporttrainer in Leitungsbereich ein Sportpsychologe kommt, liegt nicht daran, dass man sich in den Staaten besonders intensiv um die psychischen Probleme der Athleten kümmert. Vielmehr geht es um das Erlernen von Techniken, mit denen Ängste, auch etwaige psychische Erkrankungen, unterdrückt werden. Die Psychologen dienen der Optimierung von Menschenmaterial.

Die Forderung der deutschen Profispielervereinigung VdV, die psychologische Betreuung von Fußballern zu verbessern, ist nachvollziehbar. Doch dafür müssten die Klubs und Verbände einen ernsthaften psychologischen Ansatz verfolgen. Sie müssten in erster Linie an die Gesundheit der Athleten denken und erst danach an ihre sportlichen Möglichkeiten. Sie müssten in Kauf nehmen, dabei große Talente zu verlieren, mit deren Erfolgen sie sich doch so gerne schmücken.

Die Forderung der VdV ist ehrenwert – und unrealistisch. Mentales Training hat sich als Methode im Sport bewährt. Es mag Menschen schneller machen, gesund kann es sie nicht machen. ANDREAS RÜTTENAUER