Berlinmusik
: Sanftes Glitchen

Ein Akkord, noch einer, im getragenen Wechsel scheint der zweite den ersten sanft anzuheben. Dazu pluckt und ploppt es diskret im Untergrund, noch tiefer unten rumort so etwas wie ein gezupftes Riesengummiband. Ein träger Groove als stetige Bewegung im vermeintlichen Stillstand. Allgemeine Stimmung: zurückgelehnt, friedvoll, spätnächtlich. Der Titel: „Moiré (Piano & Organ)“.

Mit seinem lange Zeit vergriffenen, jüngst wieder als Vinyl aufgelegten Album „Loop-Finding-Jazz-Records“ lieferte der Berliner Musiker Jan Jelinek 2001 einen Beitrag zum Glitch-Genre, der zugleich wie ein Abgesang anmutete. Die Musik, die unter dem Label „Glitch“ verkauft wurde, versuchte sich an einer größtmöglichen Reduktion elektronischer Musik. Man setzte auf digitale Störgeräusche, brachte Klicken, Rauschen, Brummen rhythmisch miteinander ins Gespräch, um die eigenen Arbeitsgrundlagen beim Produzieren zu reflektieren, den Computer selbst als Instrument in seinen Fehlfunktionen hörbar zu machen.

Jelinek hatte zuvor schon unter den Namen Gramm und Farben seine eigenen Ideen zu House und Techno an der Glitch-Folie entlang formuliert. Wobei auch diese Projekte durch eine dem Genre sonst eher fremde Vorliebe für verhalten soulige Akzente auffielen. Mit „Loop-Finding-Jazz-Records“ trieb er diesen Ansatz unter seinem eigenen Namen auf die Spitze. Was als Bild für das Resultat eher unpassend wirkt: Scharf, spitz oder sonst wie kantig klingt hier nichts.

Die, wie es heißt, tatsächlich auf gesampelten Jazzplatten basierenden Stücke – mit bloßem Ohr erkennen lässt sich das kaum – zeichnen sich vielmehr durch ihre sorgsam abgerundeten Ecken aus. Wenn Jelinek einen geraden Beat unterlegt, klopft dieser allenfalls vorsichtig, fügt sich als weitere Schicht in das Geschehen. Wie überhaupt die Musik in ihrem Aufbau an Stratifikation denken lässt, bei der ein langer Atem waltete.

Mit 16 Jahren Abstand hört sich die Platte weit weniger fremd an als bei ihrem Erscheinen. Loops gehören inzwischen so sehr zum Musikalltag, dass man sich ungehindert Jelineks feinen Arrangements zuwenden kann, ohne sich groß fragen zu müssen, ob das alles nicht doch eine Spur zu monoton ist. Zugleich merkt man, dass heute niemand mehr so Musik machen würde. Ein Klassiker, der reif ist, noch einmal entdeckt zu werden. Tim Caspar Boehme

Jan Jelinek: „Loop-Finding-Jazz-Records“ (Faitiche), live 7. 5., Radialsystem