Anschlag in Manchester

22 Tote, 119 Verletzte, viele davon Kinder: Das sind die Folgen eines Selbstmordattentats bei einem Popkonzert im britischen Manchester

„Ich hörte, wie jemand ‚Bombe‘ schrie“

Terror 18.000 Konzertbesucher, darunter viele Kinder, waren in die Manchester Arena gekommen. Am Ende sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. Der IS bekannte sich zu der Tat – und droht nun weiter

Trost für die Überlebenden: Ein Grande-Fan wird abgeholt Foto: Rui Vieira/ap

Aus London Daniel Zylbersztajn

22 Tote und rund 119 Verletzte, manche davon lebensgefährlich, und ein toter Selbstmord­attentäter: Das ist die Bilanz des Anschlags auf die Manchester Arena am späten Montagabend, direkt am Ende des Konzerts des US-amerikanischen Teenie-Popstars Ariana Grande. Mindestens 17 der Verletzten sind Kinder im Alter von unter 16 Jahren. Zu den ersten bestätigten Todesopfern gehörte ein achtjähriges Mädchen.

Um 22.30 Uhr Ortszeit, als die Sängerin gerade die Bühne verlassen hatte, sprengte sich den bisherigen Erkenntnissen und Zeugenaussagen zufolge der Selbstmordattentäter im Foyer von Großbritanniens größter Konzerthalle in die Luft – direkt in der Menge des allmählich hinausströmenden Publikums, genau dort, wo es T-Shirts, Poster und Getränke gab, und noch vor den Sicherheitskontrollen, wo mit der Durchsuchung von Rucksäcken und Taschen zu rechnen gewesen wäre. Der Sprengsatz soll ein improvisiertes Gebilde voller Schrauben und Metallteile gewesen sein. Diese Teilchen sah man auch in den Wunden der Verletzten nach dem Attentat.

Die Manchester Arena liegt mitten in der Stadt, direkt am Victoria-Hauptbahnhof. Das Konzert war ausverkauft, die Kapazität der Halle beträgt 21.000 Menschen, mindestens 18.000 Personen sollen anwesend gewesen sein.

Nach der Explosion und einem Augenblick der Stille sollen Panik und Geschrei ausgebrochen sein. Viele der Konzertbesucher waren Jugendliche und Kinder. Kathleen, 15 und ihr 16-jähriger Freund Joseph berichteten gegenüber Journalisten, wie Jugendliche in Angst über Sitze und Absperrungen kletterten und großes Gedränge herrschte. Es habe Qualmgeruch in der Luft gelegen, man habe Menschen mit blutverschmierten Wunden gesehen.

Die Teenagerin Abby Mullen aus Glasgow twitterte Bilder von sich mit blutverschmierten Haaren und nannte sich glücklich, dass sie noch lebe. Sie zeige die Bilder, da sie glaube, „dass Menschen sehen müssen, wie grausam diese wirkliche Welt“ sei. In der Lokalzeitung Manchester Evening News beschrieb Ryan Morrison, 19: „Es gab einen riesigen Knall und dann sah ich Rauch. Ich hörte, wie jemand ‚Bombe!‘ schrie und dann alle zu laufen anfingen. Es war ein Blutbad, ein absolutes Blutbad.“

Bemerkenswerte Solidarität: Kinder wurden von Älteren ­getragen, Menschen in Roll­stühlen wurde geholfen, ein ­Obdachloser barg eine sterbende Frau. Nahegelegene Hotels ­verwandelten sich spontan in Jugendherbergen

Am Dienstag suchten sich viele Familienangehörige und Freunde immer noch gegenseitig. „Meine Freundin Lisa und ihre Töchter Ashlee und Saffie waren letzte Nacht auf dem Konzert“, stand auf Facebook. „Saffie-Rose, 8 Jahre alt, wird immer noch vermisst. Ihre Mama Lisa und Schwester Ash sind im Krankenhaus, ihre Verletzungen sind nicht lebensgefährlich.“ Um 13.30 Uhr die Bestätigung: Saffie-Rose, ein Grundschulkind aus Lancashire, sei ihren Verletzungen erlegen. Mit jedem neuen bestätigten Opfer verbreitete sich wiederum Mitgefühl und Trauer über Twitter und Instagram.

Am Nachmittag bekannte sich der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) zu dem Angriff. Ein „Soldat des Kalifats“ habe es geschafft, „mitten unter den Kreuzrittern“ Sprengstoff zu deponieren, und dieser sei „in dem schamlosen Konzertbereich“ explodiert und habe 30 Tote und 70 Verletzte produziert, hieß es. „Was als nächstes kommt, wird für die Anbeter des Kreuzes noch schlimmer sein, mit Allahs Erlaubnis.“

Schon am frühen Montagabend hatte es auf einem Twitterkonto eine Warnung „Habt ihr unsere Drohung vergessen? Dies ist der gerechte Terror“ mit dem Hashtag #ManchesterArena gegeben. Premierministerin Theresa May sagte am Dienstagmittag, die Identität des Selbstmordattentäters sei der Polizei bekannt. Es werde nun geprüft, ob er als Teil eines Netzwerks agiert habe.

Im Laufe des Tages wurden Wohnungen und Häuser in Manchester durchsucht. Ein 23-Jähriger wurde im Süden Manchesters festgenommen, die Polizei bestätigte außerdem eine kontrollierte Explosion in einer Wohngegend. Das große zentrale Einkaufszentrum Arndale wurde kurzzeitig geräumt.

Der Ort des Anschlags: die Manchester Arena Foto: google/dpa

Überall wird die bemerkenswerte Solidarität unmittelbar nach dem Attentat betont. Kinder wurden von Älteren getragen, Menschen in Rollstühlen wurde geholfen, ein Obdachloser barg eine sterbende Frau. Nach dem Konzert waren viele Kinder und abholende Eltern für längere Zeit durch Sicherheitsmaßnahmen voneinander getrennt. Nahegelegene Hotels verwandelten sich spontan in Jugendherbergen, nachdem der Hauptbahnhof geschlossen worden war und viele nicht mehr wegkamen. Auch Privatpersonen öffneten ihre Häuser, Taxifahrer fuhren Leute umsonst bis nach Liverpool.

In vielen Städten Großbritanniens kamen im Laufe des Dienstags Menschen spontan zu Mahnwachen zusammen. Tausende wurden am Abend zu einer Kundgebung im Herzen Manchesters erwartet.

Mitarbeit: Dominic Johnson