THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf und denke an diese Kolumne. Denn mir fallen plötzlich all die Performancegruppen ein, deren Ankündigungstexte unverständlicher klingen als die Hieroglyphen in den Pyramiden. Die ich aber entziffern muss, um hier seriöse Empfehlungen abzugeben. Doch während Leserinnen und Leser, also das Publikum, an die sich einst die Hieroglyphen gerichtet haben, längst gestorben sind, wir es also mit Zeugnissen einer untergegangenen Kultur zu tun haben, leben die Menschen noch, an die sich die Ankündigungstexte heutiger Theaterprojekte richten. Haben ihre AutorInnen daran gedacht? Was zum Beispiel versteckt sich für eine Veranstaltung hinter einem solchen Text? „Wir rüsten auf – innerlich und äußerlich. Das Theater ist unser Bootcamp. Sprengstoff bepackt, mit Puppen und Projektionen folgen wir dem Weg der Kriegerin in ihrem Kampf um grenzenlose Freiheit und absolute Stärke. Furchtlos zieht unsere Armee in die Schlacht – mit eigenen Strategien und eigenen Waffen.“ Wer sich darunter etwas vorstellen kann, bitte melden. Um Aufmerksamkeit wirbt hier eine Formation mit dem schönen Namen „Lovefuckers“, die 2011 in Berlin durchaus hoffnungsvoll mit dem schrillen wie prophetischen Stück „King of the Kings“ die Szene enterte, in der eine Handpuppe den Diktator Muammar al-Gaddafi verkörperte. Nun treten sie mit der neuen Produktion „Army of Lovefuckers“ an (Sophiensæle, 26. – 28. & 30. 5., jeweils 20 Uhr).

Einigermaßen selbsterklärend ist ein Projekt von Studio Urbanistan, das sich „Reisegruppe Heimweh“ nennt und im Untertitel als „performative Stadtrundfahrt von und mit geflüchteten Menschen“ zu erkennen ist. Studio Urbanistan ist eigenem Bekunden auf seiner Webseite zufolge „ein Label für performative Zwischenfälle im urbanen Raum. An der Schnittstelle von gebauten Realitäten und verborgenen Themen kreiert „Studio Urbanistan“ neue Erfahrungs- und Begegnungsräume zwischen Alltag und Fiktion, die die Regeln und Konventionen umkämpfter Gebiete außer Kraft setzen.“ Das Projekt, das wesentlich in einem Reisebus stattfinden wird, will alltäglichen Umfeldern und Wahrnehmungen von geflüchteten Menschen nachspüren: „Hinzugezogene selbst werden dabei zu Reiseleiter*innen und Bürger*innen zu ‚Tourist*innen’ in der eigenen Stadt. In den Erzählungen der Performer*innen und den Begebenheiten entlang des Weges erlebt die Reisegruppe eine Fahrt ins ‚Unbekannte’“ (Studio Urbanistan: „Reisegruppe Heimweh“, 26. – 30.5., jeweils 17.30 Uhr, Siemensstraße 27, Alle Infos und Programm unter: www.studiourbanistan.de).