kritik der woche
: Vorsicht! Rampentheater!

Welche Funktion besitzt der Künstler in der Gesellschaft? Um diese Frage dreht sich die Oper „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith. Eine hochaktuelle Frage, findet Hamburgs neue Staatsopernchefin und Generalmusikdirektorin Simone Young. Und weil sie gleich mit ihrer ersten Premiere „ein Zeichen setzen wollte“, so Young in einem Interview, griff die resolute Australierin am Sonntag zu Hindemiths sprödem Künstlerdrama.

Eine mutige Wahl, doch so richtig froh macht diese Neuproduktion nicht. Das fängt bei der schwachen, ideenlosen Inszenierung von Christian Pade an. Die Sänger wirken über weite Strecken allein gelassen, sie stapfen unmotiviert hin und her oder stehen herum: Rampentheater! Dabei gilt es die komplexe Geschichte vom Maler Mathis zu erzählen, der sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts in die Wirren des Bauernkrieges wirft. Er hat den Glauben an die Kraft seiner Bilder verloren. Als Freiheitskämpfer will der resignierte Künstler die Gesellschaft verändern, die der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten zusätzlich spaltet. Schließlich erkennt Mathis jedoch seine Berufung und erschafft sein Hauptwerk.

Den Lebensweg des Malers Matthias Grünewald nahm Hindemith zur Grundlage für sein Künstlerdrama. Es entstand zwischen 1933 und 1935 unter dem Eindruck des nationalsozialistischen Terrorregimes. Hindemiths Musik wurde wenig später als „entartet“ verfemt.

Alexander Lintl, Ausstatter der Hamburger Neuproduktion, hält sich mit plakativen Anspielungen zurück. Um so mehr zitiert er aus Arbeiten von Künstlern wie Francis Bacon oder Joseph Beuys und natürlich aus den Bildern zum Isenheimer Altar von Grünewald. Welches Zitat wann, wo und vor allem warum in den düsteren Bühnenräumen auftaucht, darüber kann man nachsinnen, wirklich kurzweiliger wird das szenische Geschehen dadurch nicht. Aufregender ist es da, Hindemiths Musik zu hören. Auch wenn in puncto Feinabstimmung zwischen Musikern und Sängern hier und da Wünsche offen blieben, Generalmusikdirektorin Simone Young wusste Akzente zu setzen. Besonders betonte die neue Chefin die großen Steigerungen bis ins Fortissimo, die dramatischen Kontraste der Oper. Aus dem starken Sänger-Ensemble ragten Falk Struckmann in der Titelpartie und Inga Kalna als Revoluzzer-Tochter Regina heraus. dagmar penzlin

Weitere Vorstellungen: 1., 7., 16., 21., 27. und 30. Okt., jeweils 19 Uhr, Staatsoper Hamburg