Im dritten Raum

Der Ort, an dem zwei Kulturen einander begegnen, gehört keiner von beiden ganz. Das Bremer Übersee-Museums versucht ihn zu rekonstruieren. Ohne Kokou Azamede wäre das nicht gelungen

von Thomas Brunotte

In einem kargen, mit blau-grünem PVC-Boden ausgelegten Zimmer im Bremer Staatsarchiv sitzt Kokou Azamede und übersetzt Lebensberichte von Togolesen aus der Zeit von 1884 bis 1900 ins Deutsche. Die Texte sind während der norddeutschen Mission im westafrikanischen Ewe-Land zwischen Ghana und Togo entstanden. Über seine Heimat-Uni in der togolesichen Hauptstadt Lome kam der Doktorand der westafrikanischen Missionsgeschichte mit der Universität Bremen in Kontakt. Für ein Forschungsprojekt brauchten die Bremer noch einen Ewe-Muttersprachler. Seit März 2005 ist er mit einem Volkswagen-Stipendium in der Hansestadt.

Die ersten Ergebnisse der Zusammenarbeit können jetzt im Bremer Überseemuseum in der Sonderausstellung „Der Dritte Raum“ besichtigt werden. Wie funktionierte die Ehe eines Christen mit einer „Götzendienerin“? Wie baute ein Afrikaner vom Volk der Ewe den Bremer Missionar in seine Träume ein? Auf solche Fragen findet der Besucher anhand aufbereiteter biografischer Informationen eine Antwort. Man kann sehen, wie sich die afrikanische Kultur durch die Begegnung mit der europäisch-christlichen Kultur veränderte. Sie ist nicht mehr die eine, aber eben auch nicht ganz die andere, sondern bewegt sich in einem neuen – dritten – Raum zwischen den beiden Kulturen. Diesen Prozess nennen die Ausstellungsmacher „Transkulturation“.

Was Azamede als Wissenschaftler erforscht, hat er auch selbst erfahren. „Ich bin auch ein Transkultureller“, lacht er. Als Kind besuchte der Protestant mit dem Taufnamen „Godwin“ eine christliche Schule. Als Eweer steht er kulturell zwischen dem Togo und Ghana. „Eine Kultur wird über die Sprache erschlossen“, sagt der Kulturwissenschaftler und fügt hinzu, dass es ihm wegen seiner Deutschkenntnisse etwas leichter gefallen sei, in Deutschland Fuß zu fassen als anderen Afrikanern.

Wie Afrikaner sich der christlichen Religion und Kultur zur Zeit der norddeutschen Mission annäherten, kann im Überseemuseum am Beispiel des Weihnachtsfests nachvollzogen werden. Man bekommt einen Eindruck davon, wie sie ihre zentralen kulturellen Elemente – Musik und Tanz – in das christliche Fest integrierten. Von den Missionaren toleriert wurde so aus einer besinnlichen Feier ein turbulentes Ereignis. Den Studierenden ist es gelungen, das trockene Archivmaterial wie Fotos, Tagebücher und Aufzeichnungen in einer ausgeglichenen Mischung von Schaukästen und Texttafeln lebendig werden zu lassen. Erreicht haben sie dies durch eine starke Konzentration auf Themen des Alltags wie Nahrung, Kleidung, Musik oder auch Eheschließung und Mädchenerziehung, an denen die Unterschiede besonders deutlich werden.

Im Togo seien die Deutschen für ihren Fleiß, ihre Strenge und Pünktlichkeit bekannt, erzählt Azamede. Man beschreibe sie oft dann positiv, wenn man damit eigentlich die Franzosen, an deren Kolonialherrschaft man sich nicht so gern erinnere, kritisieren wolle. „Wegen der Globalisierung gibt es solche nationalen Stereotype aber eigentlich nicht mehr“, erklärt der Westafrikaner. Trotzdem gibt es eine Eigenschaft, erzählt er, die er von den Deutschen übernommen hat und für die er sie bewundert: die Sparsamkeit.

Sonderausstellung „Der dritte Raum“, Überseemuseum Bremen, Bahnhofsplatz 13, noch bis 13. November, Di. bis Fr. von 9 - 18 Uhr, Sa. und So. von 10 - 18 Uhr, Mo. geschlossen.