piwik no script img

ReaktivierungenWirklich lebenund sterben

Hamburger Soundtrack

von Nils Schuhmacher

Ein Lied von David Öllerer heißt „Heite grob ma Tote aus“. Bei den Glücklichen handelt es sich aber wohl nicht um Barry Adamson (4. 5., Mojo), John K. Sampson (6. 5., Knust) oder DJ Bobo (12. 5., Barcleycard-Arena). Ersterer hat zwar die eine oder andere Band und -beteiligung (Magazine, Visage, Bad Seeds) überlebt, aber sein Konzert am 4. Mai absagen müssen.

Zweitgenannter denkt gar nicht daran, die einst viel geliebten Weakerthans zu reaktivieren, sondern beschränkt sich auf seiner zweiten Solo-LP darauf, die einstigen Bandmitglieder unter seinem Namen zu versammeln, um weiter an der Vervollkommnung der atmosphärische Dichte früherer Tage zu arbeiten.

Zu vielem anderen kann man global sagen: was niemals wirklich lebt, kann auch nicht richtig sterben. Ein Trost auch für die eine oder andere als „Deutschpop“ durchs Lande ziehende Schlagerband dieser Tage. Zu denen kann Höllerer, mehr bekannt als Voodoo Jürgens (1. 5., Molotow), schon deshalb nicht gezählt werden, weil er als Österreicher „Austropop“ macht.

Die Aussagekraft dieser Kategorie ist mittlerweile reichlich geschmälert durch ihre rein auf Herkunft abzielende Besetzung. Denn vor allem kennzeichnet den Mann doch seine Nähe zum schwarzhumorigen, sprachlich in tiefem „Wienerisch“ verwurzeltem Subgenre, in dem das Schlagerhafte durch die Liedermachertradition niedergerungen wird. Mal von älteren, leicht abgehalfterten Gestalten, mal von ihren Nachkommen, den sogenannten Strizzis.

Musikalisch sind die Lieder des Strizzitypen Jürgens nicht unbedingt der allerneueste Wurf. Zum Beispiel hat man beim dritten Lied das Gefühl, dass man diesen Rhythmus schon mal gehört hat (nämlich im ersten und zweiten Lied). Aber textlich wird dem ungeübten Ohr ohne Unterbrechung ein Rätsel nach dem anderen präsentiert und irgendwann hat man dann das Gefühl, dass man zwar nicht genau weiß, wer so alles den sozialen Rand bevölkert, den Öllerer da ausgräbt – aber dass man ihn gut sehen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen