Bootsbauerinnen auf Erfolgskurs

FRAUEN UND TECHNIK Berliner Vereine unterstützen junge Frauen, in typischen „Männerberufen“ Fuß zu fassen – mit Erfolg. Doch wie es weitergeht, ist offen

Es gibt 400 Ausbildungsberufe, aber Mädchen wählen in der Regel nur zwischen zehn Berufen aus

VON MANDY KUNSTMANN

Der helle, lichtdurchflutete Raum duftet nach frischem Holz. Die weißen Wände sind mit Werkzeugleisten zugepflastert, und gelbe Gehörschützer – solche, wie sie Bauarbeiter tragen – lauern an jeder Ecke. „Das muss ich hier noch schnell fertig machen“, ruft das blonde Mädchen, ganz in Handwerkerkluft gekleidet. Eifrig fegt sie die letzten groben Sägespäne am Fußboden zusammen. Hinter der jungen Frau ragt ein riesiges Segelschiff empor, nur falsch herum ist es aufgebockt – der frisch geschliffene, noch unlackierte Rumpf zeigt nach oben. Ein etwas merkwürdiger Anblick. „Bis Weihnachten müssen wir das geschafft haben“, lächelt die 26-Jährige.

Heide ist eine von insgesamt 27 jungen Müttern, die in den großen Hallen des Berliner Vereins „Land in Sicht Ausbildungsprojekte“ (LiSA) einen Handwerksberuf erlernen. Ganz klar: Heide wird Bootsbauerin und später vielleicht sogar einmal in Neuseeland oder Australien arbeiten.

Noch gibt es sehr wenige Frauen in typischen „Männerberufen“. Bei LiSA will man das ändern. Das Projekt „Zukunft für 2“ bietet jungen, allein erziehenden Müttern die Chance, in Teilzeit eine Ausbildung zur Tischlerin oder Bootsbauerin zu ergreifen – vorausgesetzt, sie haben einen erhöhten Förderbedarf.

Dass sie vielleicht unter einer Lernschwäche leiden oder persönliche Probleme haben, möglicherweise in der Schuldenfalle stecken oder Gewalt ertragen mussten, sieht man den aufgeweckten Mädchen allerdings so überhaupt nicht an. Zwischen Hobelbänken, halbfertigen Bettgestellen und diversen Gesellenstücken werkeln drei angehende Tischlerinnen eifrig an ihren Projekten. Eine andere macht nebenan mit Kopfhörern im Ohr Hausaufgaben. Die Stimmung ist heiter, und es wird viel gelacht. Nur in der Raucherpause kann man erahnen, dass die allein erziehenden Mütter nicht so leicht durchs Leben gehen wie andere Frauen in ihrem Alter: Von Kontenpfändung und Hartz IV ist die Rede.

Anja Primus hat schon viele junge Alleinerziehende kennengelernt und durch die Ausbildung begleitet. „Viele sagen am Anfang, dass sie Holz toll finden und sogar schon einmal gesägt haben“, berichtet die Sozialpädagogin des Vereins, „aber dass Bootsbauerin oder Tischlerin auch Berufe für Frauen sind, wissen sie nicht.“ Gleich zwei Sozialpädagoginnen unterstützen die Jugendlichen während ihrer Ausbildungszeit. Kollegin Beate Cuspers kennt die Stärken ihrer Schützlinge: „Die Mütter kommen mit unglaublichen Kompetenzen zu uns“, erklärt sie. „Sie sind super im Zeitmanagement, regeln den Kitabesuch und wissen auch, wie Anträge für bürokratische Belange gestellt werden müssen“. Andere Jugendliche leben in diesem Alter noch zu Hause und kennen solche Herausforderungen gar nicht. „Auf anderen Gebieten haben die jungen Mütter jedoch Nachholbedarf“, erklärt Cuspers. „Sie haben zum Beispiel nie gelernt, sie selbst zu sein oder Freiräume zu genießen“. Bei LiSA haben sie dazu die Möglichkeit.

Ob der Verein „Zukunft für 2“ im nächsten Jahr wieder Kurse anbieten kann, steht noch nicht fest. Für die Ausschreibung hat man sich beworben. Und die ersten Anfragen von Interessentinnen gibt es auch schon. In Härtefällen bekommen übrigens auch junge Männer eine Chance – einer ist schon dabei.

Dass Frauen sehr wohl typische „Männerberufe“ ergreifen können und wollen, weiß man auch bei LIFE. Der gemeinnützige Verein hat seinen Sitz in einem alten Fabrikgebäude im Herzen Berlins. In den Werkstätten und Seminarräumen werden Handwerkerinnen weitergebildet, Berufsorientierungskurse für Mädchen angeboten und Frauen in technischen Berufen gelehrt.

Nach frischem Holz riecht es in den Hallen der alten Fabrik nicht. Die abgenutzten Werkbänke mit den Schraubzwingen stehen leer. Doch noch vor Kurzem herrschte hier Hochbetrieb: Junge Frauen übten sich daran, an Decken Installationsarbeiten durchzuführen, bastelten Schaltkreise. Alle hier nannten sie „StrOHMerinnen“, nach dem Namen des Projekts – einer Ausbildung zur Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik.

„Im Februar haben 13 junge Frauen ihren Gesellenbrief bestanden“, freut sich Vereinssprecherin Almut Borggrefe. Ob das Projekt in die nächste Runde gehen kann, bleibt aber auch hier abzuwarten. Derzeit mangelt es noch an Fördergeldern.

„Es gibt 400 Ausbildungsberufe“, erklärt Borggrefe, „aber Mädchen wählen in der Regel nur zwischen zehn Berufen aus – und das sind eben die frauentypischen Berufe wie zum Beispiel Kauffrau im Einzelhandel oder Verkäuferin.“ Jungs schauten da weiter. „Wir wollen Mädchen unterstützen, in die Technik zu gehen“, erklärt die Sprecherin weiter. Aus diesem Grund unterstützt der Verein auch den Girls’ Day, den bundesweiten Mädchen-Zukunftstag. Mädchen der Klassen 5 bis 10 können sich in Unternehmen einen Tag lang praktisch ausprobieren und ihr Berufsspektrum erweitern. Am 22. April 2010 ist es wieder so weit. Viel Spaß beim Werkeln!