„Kein Missbrauch der Erinnerungskultur“

ERINNERUNG In früheren Konzentrationslagern gedenken Überlebende und Politiker der Befreiung

Stele in Bergen-Belsen Foto: dpa

BERGEN-BELSEN/SACHSENHAUSEN epd | Überlebende der Konzentrationslager Bergen-Belsen (Niedersachsen) und Sachsenhausen (Brandenburg) sowie Politiker haben am Sonntag an die Befreiung der Lager vor 72 Jahren erinnert.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) warnte in Bergen-Belsen vor neu aufkommendem Rassismus und nationalistischen Ideologien. „Deshalb widersprechen wir mit aller Entschiedenheit, wenn neue politische Kräfte in unserem Land unsere Erinnerungskultur, an der unsere Gesellschaft und unsere Demokratie gereift sind, für parteipolitische Zwecke missbrauchen.“ Um die Geschichte zu vermitteln, seien neue Wege nötig. Dies gelte mit Blick auf Flüchtlinge aus von einem weitreichenden Antisemitismus geprägten Herkunfts­ländern wie in der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus deutscher Prägung.

Am 15. April 1945 hatten britische Truppen das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreit. Dort wurden mehr als 52.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene ermordet oder starben an Hunger, Durst, Krankheiten und den Folgen der Haft. Unter ihnen war auch das jüdische Mädchen Anne Frank, das durch sein Tagebuch weltberühmt wurde. In Sachsenhausen waren mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Auch hier starben Zehntausende.

Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) erinnerte, dass auch wegen ihrer politischen Haltung verfolgte Menschen aus fast allen Ländern Europas nach Bergen-Belsen verschleppt wurden. „So unterschiedlich ihre Herkunft und ihre politischen Ziele waren – eines einte sie: die Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten.“ Damit hätten sie einen Grundstein für ein freies Europa gelegt. „Daran zu erinnern ist heute wichtiger denn je, droht doch der europäische Gedanke immer mehr hinter nationalem Egoismus, rechtem Populismus sowie rassistischer und fremdenfeindlicher Abschottung zu verschwinden.“

Bei dem Gedenken berichtete Anastasia Gulei aus der Ukraine von ihren Erinnerungen. Die 91-Jährige gehörte zu den politischen Gefangenen von Bergen-Belsen. Sie mussten als Kennzeichen einen roten Winkel an ihrer Häftlingskleidung tragen.