Das Ding, das kommt
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„Greatest Hits of other People“ spielen: So bezeichnet die Hamburger Band Boy Division selbst, was sie so macht – seit inzwischen 20 Jahren. Zu einer Art Markenzeichen geworden ist dabei der, nun ja, Gesang durchs Megafon Foto: Boy Division

Die mit der Sprechtrompete

Es ist natürlich eine sonderbare Spitzenposition: Als „Hamburgs bestgekleidete Megaphon-Coverband“ sind Boy Division schon bezeichnet worden auf diesen Seiten, und selbst, wenn die messerscharfen Bügelfalten und gerade so vor der Treuhand geretteten Prefab-Schlipse aus volkseigener Fertigung mal keine Erwähnung finden, kommt kaum ein Text aus ohne zwei immergleiche Informationen: Boy Division spielen Coverversionen, also die Stücke anderer – und sie bedienen sich dazu eines Megafons für den Gesang. (Na gut: dass da altes Küchengerät als Schlagzeug herhält, das wird auch noch ziemlich oft wiedergekäut.)

Auszuführen, inwiefern sich die „Sprechtrompete“ bzw. „Flüstertüte“ aus militärischer Bedürfnisbefriedigung ableitet – Befehle mussten ja auch schon erteilt werden, ehe etwa der Funk zur Verfügung stand –, hatte sich bekanntlich Deutschlands großer Medientheoretiker Friedrich Kittler vorgenommen, der seine Notizen dann aber am Niederrimsinger Baggersee vergaß. Diese Geschichte ist natürlich erfunden, aber erfunden ist ja am Ende auch die Vergangenheit, wie Boy Division sie klingen lassen: Ob Blurs „Song #2“ oder Tears for Fears’„Mad World“, The Jams „That’s Entertainment“ oder Bon Jovis „It’s My Life“: Was einst die verschiedenen Seiten kaum überwindlicher kultureller, oder besser: geschmacklicher Gräben markierte – Boy Division behandeln alles in gleicher Weise. Dass auch wohlwollende Zungen sich gelegentlich dahin verirren, die Band drehe die Originale durch den Wolf, soll hier nicht weiter irritieren.

Seit nunmehr 20 Jahren also nimmt sich die Band mit der leicht schwankenden Besetzung heimliche und unheimliche Lieblingslieder vor: „Fast 250 Konzerte, eigene Theater‘shows‘, Musikquiz- und Soundsystem-Abende“ verzeichnet die bandeigene Archivabteilung seit dem „ersten Auftritt am 18. ­April 1997“. Statt nun aber wieder mal auf einer nachnamenlosen Partybarkassen („Hedi“, „Claudia“) durch den Hafen zu schippern, bespielt die Band jetzt Hamburgs ältestes von Künstlern besetztes Haus, das Westwerk auf der Fleetinsel.

Mit angekündigt werden neben etlichen Ex-Mitgliedern die Band Mint Mind, der Studio-Braun-Strippenzieher Gereon Klug mit der Diashow „Die Nachteile von Joy Division und Depressionen“ sowie, fürs treue Publikum, das welterste Megafon-Karaoke. ALDI

20 Jahre Boy Division: Geburtstagsparty am Sa, 22. 4., 21 Uhr, Westwerk, Admiralitätstraße 74