Identitätskontrollen nach Outfit

G20-Gipfel Im Karolinenviertel müssen BewohnerInnen und BesucherInnen schon jetzt mit verdachtsunabhängigen Kontrollen und Identitätsfeststellungen rechnen

Faust im Wind: TeilnehmerInnen der Aktionskonferenz gegen den G20-Gipfel demonstrieren vor der Messe Foto: Christian Charisius/dpa

Von Kai von Appen

Die Vorboten des Ausnahmezustandes während des G20-Gipfels sind schon zehn Wochen vorher im Karolinenviertel angekommen. Zumindest wer das Quartier besucht, muss mit der Einschränkung von Bürgerrechten und verdachtsunabhängigen Kontrollen rechnen. Das zeigt ein Vorfall vom Ostersamstag.

Gegen 22 Uhr machen sich fünf Personen aus dem Univiertel über die Rentzelstraße auf den Weg zum Kiez. In der Nähe des Haupteingangs zum Messegelände am Fernsehturm in der Petersburger Straße, wo am 7. und 8. Juli der Gipfel der Staatschefs stattfinden soll, wird das Quintett von einer Polizeistreife aus Berlin angehalten.

„Wir wurden aufgefordert uns auszuweisen“, sagt Sven Schwarz*. Auf die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehe, habe eine Beamtin gemurmelt „Paragraf vier“ und sinngemäß geantwortet, das sei ein geschütztes Objekt, deshalb dürfe die Polizei hier kontrollieren. Die Gruppe passe genau ins „Täterprofil“ und gehöre vom „Outfit“ her genau zu der Zielgruppe der Polizei.

Eine solche Vorgehensweise ist laut dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu den Gefahrengebieten verfassungswidrig. „Wir haben gesagt: ‚Wir sehen das nicht ein‘, und sind mit Einwilligung der Beamten umgedreht und zurückgegangen“, berichtet Schwarz. „Wir waren völlig unterschiedlich gekleidet“, berichtet er.

Minuten nach der Umkehr seien neben der Gruppe in Höhe der Tiergartenstraße zwei Mannschaftswagen aufgefahren und Beamte aus den Fahrzeugen gesprungen. Sie hätten das Quintett umkreist. „Wir dürfen euch immer kontrollieren“, habe ein Beamter geblafft und einen „Paragrafen zwölf“ genannt.

Dann sei eine Kamera auf die Gruppe gerichtet und eine Festnahme angedroht worden. „Haben Sie spitze Gegenstände dabei?“, hätten die Beamten gefragt und dann eine Durchsuchung angekündigt. „Wir mussten trotz Kälte unsere Jacken öffnen und sind von oben bis unten abgetastet worden“, berichtet Schwarz.

Im Karolinenviertel müssen sich BesucherInnen auf vielfältige Kontrollen einrichten.

Nach § 4 des Polizeigesetzes zur Datenverarbeitung (PolDVG) kann die Polizei die Identität von Personen feststellen, von denen Straftaten von erheblicher Bedeutung verübt werden könnten.

Auch nach § 12 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG) kann die Polizei Personalien feststellen, wenn es zur Gefahrenabwehr erforderlich ist.

Dann sei allen ein Platzverweis bis zum nächsten Morgen erteilt worden. Insgesamt seien Berliner Beamte aus vier Mannschaftswagen – zwei Sprintern und zwei klassischen „Wannen“ – an der Aktion beteiligt gewesen. Auf die Fragen nach der Dienstnummer des Einsatzleiters habe ein Beamter eine Visitenkarte des Berliner Polizeipräsidenten mit einer Bürgertelefonnummer übergeben.

Seit Anfang dieses Monats stehen neuralgische Gebäude wie die Messe, das Rathaus, die Elbphilharmonie sowie fast alle Polizeireviere und selbst der Stall der Pferdestaffel unter aufwendigem Objektschutz. Dafür sind bereits Polizei-Hundertschaften aus Hessen, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern für Tage geholt worden. Nach der Brand­attacke auf die Messehallen im Vorfeld der OSZE-Tagung und den Brandanschlägen auf Polizeifahrzeuge im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel baut die Polizei offenbar vor. Die Polizeipressestelle war gestern nicht zu erreichen.

*Name geändert