Entwaffnung der IRA beendet

Die Internationale Kommission für Nordirland bestätigt, dass die katholische Organisation ihr gesamtes Arsenal zerstört hat – pünktlich zur Blair-Rede auf dem Labour-Parteitag

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat sich entwaffnet. Das gab die Internationale Abrüstungskommission unter Leitung des kanadischen Exgenerals John de Chastelain gestern Nachmittag in der nordirischen Hauptstadt Belfast bekannt. Die IRA hatte diesen Schritt in einer Erklärung am 28. Juli angekündigt. De Chastelain sagte, er habe jede einzelne Waffe in die Hand genommen und notiert sowie jedes Päckchen Sprengstoff gewogen. Der Prozess zog sich vorige Woche über mehrere Tage hin und war am Samstag abgeschlossen.

Seine Inventarliste habe er den Regierungen in London und Dublin übergeben, sagte de Chastelain, veröffentlichen könne er sie aber nicht. Es gebe auch keine Fotos, da die IRA das nicht zugelassen habe. „Es war von Anfang an klar, dass der Entwaffnungsprozess nicht wie eine Niederlage aussehen durfte“, sagte de Chastelain. Er bestätigte jedoch, dass es sich bei den Waffen um schwere Maschinengewehre, Munition, Pistolen, Sprengstoff, Raketenwerfer, Gewehre und andere Waffen gehandelt habe. Die Menge stimme mit den Schätzungen britischer Sicherheitsexperten über das Waffenarsenal der IRA überein.

„Ich habe keinen Zweifel daran, dass die IRA sämtliche Waffen unbrauchbar gemacht hat, die sie besaß“, sagte de Chastelain. Die beiden Augenzeugen, der Redemptoristenpfarrer Alex Reid und Harold Good, der ehemalige Präsident der Methodistenkirche, bestätigten das. „Die Beweise sind so eindeutig und wir sind uns völlig sicher, dass General de Chastelains Bericht korrekt ist“, sagte Good.

Martin McGuinness von Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, bezeichnete die Entwaffnung als politisch bedeutsamer als den Waffenstillstand von 1994. „Ich glaube, Irland steht vor einem wahrhaft historischen Schritt“, sagte er, „und ich hoffe, dass die Menschen in ganz Irland darauf positiv reagieren werden.“

Das tun jedoch nicht alle. Ian Paisley junior, der Sohn des radikalen Protestantenpfarrers Ian Paisley, sagte: „Ein Foto ist ein physischer Beweis, aber psychologisch wäre es noch wichtiger gewesen, denn es hätte bedeutet, dass die IRA-Gewalt vorbei ist. Dass die IRA das im Geheimen getan hat, deutet an, dass die Sache nicht echt ist.“

Die IRA-Entwaffnung kam rechtzeitig für die heutige Rede des britischen Premierministers Tony Blair auf dem Labour-Parteitag in Brighton. Die britische Regierung wird nun ein Gesetz verabschieden, wonach flüchtige IRA-Mitglieder straffrei nach Nordirland zurückzukehren dürfen. Außerdem wird die britische Armee ihre Präsenz in Nordirland zurückschrauben. Nordirlandminister Peter Hain will auf dem Parteitag aber auch eine Reihe von Konzessionen an die protestantische Mehrheit in Nordirland ankündigen, darunter die Einsetzung einer Kommission für Gewaltopfer, steuerliche Erleichterungen für den protestantischen Oranier-Orden sowie die Förderung der protestantisch-nordirischen Kultur, die ihre Wurzeln im Schottischen hat.

Diese Maßnahmen sind vor allem auf Paisley, den Chef der Democratic Unionist Party (DUP), zugeschnitten, von dem man sich erhofft, dass er in nicht allzu ferner Zukunft die Verhandlungen mit Sinn Féin über eine gemeinsame Regierung aufnimmt. Im Belfaster Friedensvertrag vom Karfreitag 1998 ist eine Mehrparteienregierung vorgesehen, die jedoch seit zwei Jahren von den protestantischen Parteien boykottiert wird, weil die IRA potenzielle Angriffsziele ausspioniert haben soll. Seitdem wird Nordirland direkt aus London regiert.

De Chastelain sagte, dass die Arbeit der Internationalen Abrüstungskommission nicht beendet sei, bis auch die protestantischen paramilitärischen Organisationen ihre Waffen ausgemustert haben.