Talk um Teilhabe

Kulturpolitik Im Podewil stellte das Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung sich und seine Ziele vor

Das Foyer des Podewil war voll, als am Dienstagabend das neu gegründete Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung vorgestellt wurde. Die Einladenden, allen voran Klaus Lederer, Kultursenator von Berlin, freuten sich. Die Gründung des Büros beruht auf einer Zielsetzung im Koalitionsvertrag, der Vielfalt der Berliner Bevölkerung in allen Kultureinrichtungen der Stadt zu mehr Sichtbarkeit und Repräsentanz zu verhelfen. Das betrifft das Publikum, das Personal, das Programm und die Zugänglichkeit des jeweiligen Hauses, abgekürzt als PPPZ.

Organisatorisch ist das Büro unter dem Dach der Berliner Kulturprojekte untergebracht, mit Sitz im Podewil. Geleitet wird es von Sandrine Micossé-Aikins, einer deutsch-togolesischen Künstlerin in einem Dreierteam. Der Abend im Podewil war die erste Vorstellung des Büros, das sich in diesem Jahr mit Bedarfsermittlung und Grundlagenforschung beschäftigen wird und 2018 seine beratende Tätigkeit aufnehmen soll.

In seiner Rede zur Eröffnung machte Klaus Lederer den Begriff Vielfalt weit auf. Von Berlinern ohne deutschen Pass über die Nachkommen von Migranten bis zu Behinderten, von der Zugehörigkeit zu verschiedenen Religionen über unterschiedliche sexuelle Orientierung bis zu sozial Benachteiligten. Für alle sei die Frage, wie komme ich in der Öffentlichkeit vor, wie in den kulturellen Einrichtungen, gleich wichtig. Berlin wirbt mit dieser Vielfalt, aber, so Lederer, sie findet sich in den kulturellen Einrichtungen nicht widergespiegelt. Ihn bewege vor allem die Frage, was durch diese Unterrepräsentanz, diese Nichtsichtbarkeit der Stadt auch an Kreativität verloren ginge.

Sandrine Micossé-Aikins, Bahareh Sharifi und Timo Köster skizzierten dann den Ansatz ihres Büros, das den Titel „Diversity.Arts.Culture“ trägt. Sie wollen die Senatsverwaltung beraten, ihnen Formate vorschlagen und so Veränderungen in die Wege leiten. Sie wollen Akteure marginalisierter Gruppen unterstützen. Und langfristig auf eine Veränderung von „PPPZ“ in den großen Häusern arbeiten.

Sie alle betonten, dass das Ziel, Ausschlüsse abzubauen, nur erreicht werden kann, wenn es als Leitungsaufgabe begriffen wird. Das bestätigte auch Abid Hussain, der am Arts Council in England seit 16 Jahren arbeitet, als Director für Diversity. Er berichtete aus England, wo einige Maßnahmen vor allem in den vergangenen zwei, drei Jahren zu greifen begannen. Ein Beispiel ist die Filmförderung über das British Film Institute seit 2014. Um die Unterrepräsentation von Minderheiten zur verringern, wurde ein Katalog von Standards entwickelt. Eine Mindestzahl davon einzuhalten, wurde zur Voraussetzung von Förderung. Einen solchen Katalog von Diversity-Standards zu entwickeln und deren Einhaltung zur Bedingung von Subventionen zu machen, hält auch das Berliner Büro für ein gutes Steuerungsinstrument. Eine zweite Maßnahme in England: neue, große Fördertöpfe, zum Beispiel mit 1,8 Millionen Pfund für behinderte KünstlerInnen.

Hussain erzählte aber auch, dass der Weg, den man vor sich habe, sehr lang sein kann, 10 oder 20 Jahre. Oft würden Veränderungen erst möglich, wenn sie schon im Schulalter griffen, also Kinder aller sozialer Gruppen gleiche Chancen auf kulturelle Zugänge erhielten.

Dazu passte, dass im Podewil knapp zehn Jahre zuvor das Projekt „Kulturelle Bildung“ ins Leben gerufen wurde, das seitdem zwischen Schulen und Kulturinstitutionen viele Verbindungen hergestellt hat.

Katrin Bettina Müller