RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN
: Niebels Palmen

Die neuen Mächtigen der FDP ringen mit ihren neuen Jobs. Noch schwieriger haben sie es aber, die verlassenen Posten aufzufüllen. Wo kriegen sie bloß das Personal her?

Erst dachte ich mir nichts dabei. Arglos lief ich die Berliner Reinhardtstraße entlang, ärgerte mich ein wenig über den Umzugswagen, der den Gehweg versperrte, und über die Palmen, die den Durchgang behinderten. Weil eine Ecke weiter das Deutsche Theater spielt, ging mir ein Satz aus Lessings Nathan durch den Kopf. „Macht mir die Palmen nicht verhasst“, sagt dort der deutsche Tempelritter, „worunter ich so gern sonst wandle.“

Moment mal, dachte ich. Umzugswagen? Palmen? Ich schaute an dem Gebäude hoch. Es ist der Sitz der FDP-Zentrale, vor dem der Umzugswagen stand, und es war die Woche nach der Koalitionsvereinbarung. Ich stellte mir vor, dass das die Habseligkeiten des bisherigen Generalsekretärs Dirk Niebel sind, die von den Männern mit Blaumann ins Entwicklungsministerium verfrachtet wurden.

Dann wurde ich melancholisch. Ich stellte mir die leeren Fluchten in dem Gebäude vor, die Räume ohne Zimmerpflanzen, ohne Menschen. Die FDP, die bei der Bundestagswahl 14,6 Prozent der Stimmen errang und bei den Landtagswahlen ähnlich viel. Die jetzt so viele Posten und Ämter hat, obwohl sie über so viel weniger qualifiziertes Personal verfügt als andere Parteien: Sollte sie nichts mehr sein als nur noch ein leeres Gehäuse?

In den Wochen danach sah ich Westerwelle bei Beckmann sitzen, wie er sich auf die Zunge biss und um Worte rang, mit denen er nichts sagen konnte. Ich sah die neue Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger im Bundestag, wie sie sich durchs Manuskript ihrer Haushaltsrede kämpfte und vergeblich die Rolle auszufüllen suchte, die Westerwelle nicht mehr spielen will. Ich sah den neuen stellvertretenden Regierungssprecher, wie er in der Bundespressekonferenz erkennbar vor dem ersten großen Unfall zitterte. Und und und.

Die FDP braucht Bundesminister, Landesminister, Staatssekretäre, Beamte. Fraktionsfachleute, Parteibüroleiter, Pressereferenten. In Berlin, in Kiel, in Dresden, in Saarbrücken. Bei so viel Personalnot war Niebels Umzug ins Entwicklungsministerium vielleicht die falsche Idee. Sie hätten das Ministerium doch dichtmachen sollen. Auf einen Schlag hätten 600 Mitarbeiter zur Verfügung gestanden. 600 Entwicklungshelfer. Was wäre das für eine FDP geworden!

Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: M. Urbach