Abgeordnete: EU versagte bei VW-Skandal

Untersuchungsausschuss Grüne und Sozialdemokraten im Europaparlament fordern neue Behörde

BRÜSSEL taz | Den VW-Skandal hätte auch die EU-Kommission aufdecken können. Diesen Schluss lässt der Bericht des zuständigen Untersuchungsausschusses zu, auf dessen Grundlage das Europaparlament am Dienstag Konsequenzen fordern will. Sowohl die europäischen als auch die nationalen Behörden seien ihrer Aufsichtspflicht gegenüber der Automobilindustrie nicht nachgekommen, hieß es in dem Bericht.

Grüne und Sozialdemokraten verlangen deshalb eine unabhängige europäische Agentur, die den nationalen Zulassungsstellen auf die Finger schauen soll. Ob diese Idee im Plenum der 751 Abgeordneten Bestand hat, ist ungewiss. Denn auf dem Tisch liegt auch ein Vorschlag, der eher die Position der EU-Kommission stärken und ihr die Kontrolle über die Autoindustrie übertragen will.

Dabei ist das Verhalten der Brüsseler Zentrale in der Vergangenheit umstritten. „Die Testlabors der Kommission hatten bereits 2010 die nötigen Hinweise, die später den VW-Skandal auslösten“, sagt der grüne EU-Abgeordnete Claude Turmes. „Doch die Industrieabteilung weigerte sich, ihnen nachzugehen.“

So forderte etwa der Leiter der Generaldirektion Umwelt im November 2014 die Indus­trieabteilung auf, „die Rechtmäßigkeit der Abschalteinrichtungen, die manche Autohersteller bei Emissionstests einsetzen“, zu überprüfen. Tests wurden jedoch im Anschluss nicht in Auftrag gegeben. Gleichwohl wies der damalige Industriekommissar und heutige Parlamentspräsident Antonio Tajani im Ausschuss jede Mitwisserschaft über den Einsatz von illegalen Mitteln bei Emissionstests von sich.

„Das Versagen der Behörden setzt sich weiter fort“, sagt die deutsche EU-Abgeordnete Rebecca Harms (Grüne). „Wir wissen, dass viele Autobauer weiterhin Abschalteinrichtungen einsetzen, um die Zulassungsstellen auszutricksen.“ Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Studie ergab bei 80 in Deutschland zugelassenen Autotypen den Verdacht einer Einrichtung, die die Abgasreinigung abschaltet.

Doch die Idee einer europäischen Agentur zur Überwachung des Automobilsektors findet nicht überall Anklang. Sie zu schaffen kostet Zeit und Geld, sagt etwa der niederländische Liberale Jan-Gerben Gerbrandy. „Würde die Kommission ihre Arbeit machen, bräuchten wir keine zusätzliche Kontrolle“, so Gerbrandy. Um Interessenkonflikte innerhalb der Kommission zu vermeiden, solle künftig der für Luftverschmutzung zuständige Umweltkommissar auch für die Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich werden. Bislang ist dafür der Industriekommissar zuständig. Es sei kein Geheimnis, dass dieser sich mehr den Interessen der Industrie verpflichtet fühle, fügt Gerbrandy hinzu. Danièle Weber