„Ursache ausgeblendet“

DISKUSSION Die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh im Polizeigewahrsam benötigt Unterstützung

■ ist ehrenamtliche Prozessbeobachterin der Oury Jalloh-Initiative.

taz: Frau Zaeed, Sie berichten heute über das von Ihnen angestrengte Revisionsverfahren im Fall Oury Jalloh, der 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Außerdem sammeln Sie Geld für ein Brandgutachten. Wie viel fehlt Ihnen noch?

Nadine Zaeed: So ein Gutachten kostet 40.000 Euro. Etwa die Hälfte dieser Summe müssen wir noch zusammen bekommen.

Wenn Sie die Finanzierung schaffen: Welche Bedeutung hätte dieses Gutachten?

Eine zentrale. Es wäre das erste, das unabhängig von richterlichen Vorgaben ermittelt. Das heißt: Zum ersten Mal würde die Brandursache und nicht nur dessen Verlauf untersucht werden. In der Revisionsverhandlung ist gerade herausgekommen, dass an dem Brand-verursachenden Feuerzeug keine DNA-Spuren von Oury Jalloh zu finden sind. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt und das Dessauer Gericht haben immer darauf bestanden, dass die Ursache des Feuers nicht untersuchungsbedürftig sei.

Warum möchten Sie nun einen Brandgutachter aus England beauftragen?

Weil wir kein Vertrauen mehr in die deutsche Gerichtsbarkeit haben. In Sachsen-Anhalt gibt es ständig Polizeiskandale, das Innenministerium lässt sogar Polizisten bespitzeln, die sich kritisch zum Fall Oury Jalloh äußern.

Aber warum erstreckt sich Ihr Misstrauen auch auf Brandgutachter?

Weil sie abhängig sind von Aufträgen, die sie von Gerichten, Staatsanwälten oder der Polizei bekommen. Wenn wir schon die mühsame Finanzierung eines neuen Gutachtens auf uns nehmen, dann wollen wir auf Nummer sicher gehen, dass der Gutachter keiner Einflussnahme seitens deutscher Behörden ausgesetzt ist. Die Aufarbeitung des Todes von Oury Jalloh ist bisher derart skandalös verlaufen, dass wir sehr misstrauisch geworden sind. Deswegen haben wir beim Bundesgerichtshof die Revision durchgesetzt. Int.: HB

Diskussion: 19 Uhr, DGB-Haus am Bahnhofsvorplatz