Schlimmer als wie Hitler

AUA Sean Spicer, Pressesprecher des Weißen Hauses, zieht einen besonders kruden Hitler-Vergleich. Über eine Parallele, die eigentlich immer danebengeht

Sprach auch von „Holocaust centers“: Sean Spicer Foto: Andrew Harnik/dpa/ap

von Ambros Waibel

Wenn gar nichts mehr geht, geht immer noch Hitler: Das ist eine der ersten Lektionen, die an­gehenden Kolleginnen und ­Kollegen an den diversen Rudolf-Augstein-Gedächtnis-Journalistenschulen dieses Landes auf ihren unsicheren Berufsweg mitgegeben wird. So tot konnte der Massenmörder gar nicht sein, dass der Spiegel-Übervater nicht doch noch regelmäßig die Nation mit sensationellen Enthüllungen rund um den – natürlich schröcklichen, aber vor allem: geheimnisvollen – Führer versorgte. Apropos Enthüllungen: Der Stern und Co bebildert noch heute jedes beliebige Thema mit einem vollkommen nichts zur Sache beitragenden weiblichen Nacktfoto. Und „Hitler,“ „nackt“, „Penis“, „Gas“ sind schließlich zu beliebig kombinierbaren Reizworten des kommerziellen Onlinejournalismus geworden, auf die der gemeine User praktisch automatisch abklickt.

Zu folgern ist aus dieser Aufzählung jedenfalls dies: Wer einen Hitler-Vergleich ablässt, will damit Teile des menschlichen Apparates ansprechen, die jenseits des wachen Verstandes und der guten Sitten liegen. Dazu passt wohl, dass der Pressesprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, in seiner Jugend als Sean Sphincter (Schließmuskel) verspottet, sein ganzes Berufsleben lang nichts anderes getan hat, als Politik zu verkaufen. Unter einem Präsidenten Trump ist das gewiss besonders herausfordernd, und so verstieg sich Spicer am vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz zu der Aussage, sogar jemand, der so „verabscheuungswürdig“ gewesen sei wie Hitler, sei „nicht so tief gesunken, chemische Waffen zu verwenden“.

Noch während des Presse-Briefings geriet Sean Spicer in die Defensive und sagte dann, dass Hitler seine Opfer in „Holocaust centers“ geschickt und dort ermordet habe. Die Los Angeles Times schrieb dazu, „Holocaust centers“ sei kein Code-Wort für Neonazis – also keine versteckte Anspielung auf die Leugnung des Holocaust: „Es ist einfach ein Satz, der dir aus dem Mund kommt, wenn du keine Ahnung von dem hast, worüber du redest.“

Und doch dürfe man den Presesprecher nicht einfach so davonkommen lassen, heißt es in der Los Angeles Times weiter. Der Kernpunkt von Spicers nachgebesserten Aussage sei nämlich: „Assad gassed his own people, Hitler gassed the Jews“.

Und das passe genau in die weiße, männliche Filterblase, in der die ganze Trump-Truppe stecke: dass nämlich Juden, aber auch Muslime, Mexikaner, Migranten, überhaupt alle Nichtweißen und letztlich auch alle Frauen eben nicht „own people“ seien.

Wer einen Hitler-­Vergleich ablässt, will damit Teile des menschlichen Apparates ansprechen, die jenseits des wachen Verstandes und der guten Sitten liegen

Der deutsche Kontext ist nicht sympathischer: Hier dienen Hitler-Vergleich und Hitler-Beschwörung wahlweise der absoluten Verbösung des politischen Gegners, worauf dann die rituelle Entschuldigung folgt; oder der verständnisheischenden Exkulpation des verführten kleinen Volksgenossen beziehungsweise des SS-Monsters: Hitler sei ja so wahnsinnig magisch, charismatisch, drogenabhängig et cetera gewesen, wie eben nun neueste Fakten belegten: Da konnte man ja gar nicht anders als mittun.

Wem all das Vergleichen mal wieder nicht guttut, sind die Syrer. Sie stecken weiter in einem Gemetzel fest, das noch Jahrzehnte so weitergehen kann, mit Massakern Assads hier, russischen Krankenhausbombardierungen dort und zwischendurch ein paar von US-Zerstörern abgefeuerten Tomahawks.

Um Hitler und seine Verbrecherbande zu besiegen, musste sich die ganze Welt vereinen, ins Syrien scheint die Weltgemeinschaft fest vereint nur im Willen, das Land weiter ausbluten zu lassen: Man könnte es den Syrern schwerlich verübeln, wenn sie dafür einen Nazi-Vergleich heranziehen würden.