piwik no script img

Der Sichtbarmacher

NACHRUF Gilbert Baker schuf das Symbol für queere Behauptung und Solidarität: die Regenbogenflagge

Gilbert Baker, 2014 in New York Foto: Mark Lennihan/ap

Wer in Parsons, Kansas, aufwächst, einem Kaff mit gerade einmal 10.000 Einwohnern irgendwo in der leeren Mitte der USA, und obendrein empfindet, irgendwie anders als die anderen zu sein, ist stark angeregt, sich nach Großem zu sehnen. Gilbert Baker, 1951 zur Welt gekommen, schlug zunächst die Laufbahn ein, die Jungs wie ihn locken musste: Sie verhieß, in die weitere Welt hinauszukommen oder wenigstens bis nach San Francisco, an den äußersten Rand des Landes: Baker ging zum Militär, absolvierte dort zwei Jahre Dienst bis 1972.

In der Bay Area kam er, als schwuler Mann, ersehnter- und notgedrungenerweise mit der Schwulenbewegung in Kontakt und setzte sich wie Tausende andere dafür ein, diskriminierende Bestimmungen gegen Homosexuelle zu tilgen. ­Bakers Verständnis von dem, was politisch wichtig sein könnte, war schlicht und wahrhaftig: sich nie mehr zu verstecken, im Schwulen keinen Umstand der Beschämung zu sehen.

Nach dem Militärdienst und dem dort gelernten Handwerk der Schneiderei schuf er, erstmals zu sehen bei der Gay Freedom Parade 1978 in San Francisco, die wichtigste Ikone der modernen Bewegung von Lesben und Schwulen (und Trans* natürlich auch): die Regenbogenflagge. Baker erfand dieses Banner ausdrücklich als Symbol nicht allein der Schwulenbewegung, sondern als eines, das insgesamt für „sexual otherness“, für sexuell andere, die nicht das heterosexuelle Frau-Mann(-plus-Kind/er) repräsentieren.

Ikonen haben nur Erfolg, wenn sie nicht als solche konzipiert wurden: Bakers geschneiderte Idee wollte acht Farben zur Geltung bringen; Pink sollte für das Sexuelle stehen und an die Männer mit dem Rosa Winkel (den Schwule in den NS-Konzentrationslagern zur Erkennung zu tragen hatten) erinnern; Rot steht für das Leben, Orange für Heilung, Türkis für (Lebens-)Kunst, Indigo für Harmonie, Violett für den menschlichen Geist, Grün für die Natur und Gelb für das Sonnenlicht. Zwei Farben entfielen schließlich, denn sowohl Pink als auch Türkis ließen sich farblich nicht für größere Produktionsmengen herstellen.

Seit damals ist diese Flagge überall zu sehen, wo queere Menschen willkommen sind – und insofern in Ländern wie Saudi-Arabien, Russland oder dem Iran verboten. Der Unterschied zur Fahne der Friedensbewegung ist meist nicht auf Anhieb zu erkennen: Die queere Fahne sortiert die Rottöne nach oben und die Blautöne nach unten, die der Friedensbewegung hält es umgekehrt. Gilbert Baker hat auf diese Kreation, auf sein Design nie ein Copyright angemeldet – mit Absicht: Er wollte, dass diese Fahne, die auch eine Referenz an die am 22. Juni 1969 verstorbene Filmschauspielerin Judy Garland und ihr Lied „Some­where Over The Rainbow“ war, allen zugänglich sein kann, ohne finanzielle Hürden.

Baker zog 1994 nach New York City. Dort ist er, wie der San Francisco Chronicle in seinem Nachruf schreibt, am Donnerstag im Alter von 65 Jahren gestorben, friedlich in seinem Bett, wie es heißt. Der kalifornische Senatsabgeordnete Scott Wiener sprach davon, dass Baker mit der Regenbogenfahne die moderne LGBTI*-Bewegung „mitdefiniert“ habe. Jan Feddersen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen