Qualitäts- statt Quantitätsmanagement

Die Bürgerfunker in Nordrhein-Westfalen setzen sich unter Druck: Eine Qualitätsrichtlinie soll zukünftig über die Höhe der Zuschüsse entscheiden. Die Richtlinien sollen von den Bürgerfunkern definiert werden

DORTMUND taz ■ Der Leiter der Medienkommission der Landesanstalt für Medien (LfM) forderte gestern für die Bürgermedien eine Selbstbeschränkung. „Wir müssen uns schon fragen, ob es Sinn macht, 150 Radiowerkstätten mit der Gießkanne zu füttern“, sagte Wolfgang Hahn-Cremer gestern auf dem 4. Bundeskongress Bürgermedien in Dortmund. Auch die festgeschriebenen 1,9 Millionen Euro im Haushalt der LfM für den Bürgerfunk gehörten auf den Prüfstand, so Hahn-Cremer. Dieser feste Etat habe „schon immer gestört, in einer Situation wo überall gekürzt wird, macht das keinen Sinn mehr“, sagte Hahn-Cremer.

Es sei an der Zeit, die Qualitätsoffensive, „die übrigens aus dem Bürgerfunk selbst kommt“, zu nutzen. Am Ende dieses Prozesses stehe ein Zertifikat, das die Sender von der LfM bekämen und das auch über die Höhe der zukünftigen Fördergelder entscheiden solle. Vorauseilender Gehorsam, der neuen Landesregierung geschuldet, die in ihrer Koalitionsvereinbarung den Bürgerfunkern drohte. „Der Bürgerfunk hat sich in seiner jetzigen Form überwiegend nicht bewährt. Wir werden zusammen mit den Beteiligten ein neues Konzept entwickeln“, heißt es dort. Allerdings weiß Hahn-Cremer noch nicht um die Bedeutung dieses Satzes, noch sei in der Koalition keine Meinungsbildung erkennbar. „Im Moment ist die Koalition wohl noch in der Findungsphase“ mutmaßt er, „immerhin steht in der Koalitionsvereinbarung zu den Offenen Kanälen und den Campusradios kein Wort“.

Unter den Begriff Bürgermedien fallen in Nordrhein-Westfalen neben den 150 Radiowerkstätten, die in den 46 Lokalradios in NRW ihre Beiträge veröffentlichen dürfen, noch 10 Offene Kanäle, die im Kabelnetz ihre Fernsehbeiträge ausstrahlen. Zudem gibt es in Nordrhein-Westfalen noch sechs Radiosender an Universitätsstandorten und das Campus-Fernsehen in Dortmund.

Trotz dieser Medienvielfalt innerhalb der Bürgermedien in Nordrhein-Westfalen müssten sich die Produzenten offener geben, forderte Hahn-Cremer. „Manchmal habe ich den Eindruck, das ist ein geschlossener Mikrokosmos.“ Das bloße Flyer Verteilen reiche oft nicht, um die Menschen zu interessieren. Die Macher der Bürgermedien sollten dahin gehen, wo der Bürger sei, forderte Hahn-Cremer. „Wir müssen auch dahin gehen, wo die Leute sind: In Schulen, Jugendzentren und Seniorenheime.“

Über das Internet als Ersatz- oder Ergänzungsmedium zur Vermittlung von Medienkompetenz herrschte unter den Kongressteilnehmern gestern noch Uneinigkeit. Christian Schurig, Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt sagte, für den Bürger sei das Internet als Verbreitungsmedium unattraktiv, denn „im Internet bin ich nicht exklusiv, da bin ich der Letzte“.

Hahn-Cremer wollte gestern die Möglichkeiten des Mediums noch nicht bewerten. „Wir müssen sehen, was da kommt“, sagte er. Es bestehe die Möglichkeit, dass sich da noch einiges tun werde. Schließlich könnte schon heute jeder Bürger seine persönlichen Radiosendungen ins Internet stellen, die Interessierte dann abrufen könnten.

Auf die Idee ist auch schon der Geschäftsführer von Radio.NRW, Hartmut Gläsmann, gekommen. Ihm sind ein Teil der Bürgerbeiträge, die seine Privatsender per Gesetz ausstrahlen müssen, ein Dorn im Auge. Dass die privaten Radiodateien im Netz ein Ersatz für den Bürgerfunk im Lokalradio sein könnten, „auf den Gedanken sind wir auch schon gekommen“.

Vielleicht behält dann sogar Hahn-Cremer recht, der den Bürgerfunkern gestern zugute hielt: „Innovation findet im Hörfunk im nicht-kommerziellen Bereich statt.“ ELMAR KOK