Mehr als Nutten und Polizei

Erzählen Das B- Movie widmet sich mit dem Heimatfilm einem eher ungewohnten Genre. Ohne Kitsch kommen sie aber auch nicht aus

Heimatfilme bedeuten in St. Pauli etwas anderes als in München

Das unabhängige kleine Kino B-Movie ist für seine originellen und nicht kommerziellen Programme bekannt. „Ohne Werbung, im Hinterhof, in 2D und Stereo“ ist der Werbeslogan des Kinos im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Doch diesen Monat werden ausgerechnet dort Heimatfilme gezeigt.

Allerdings bedeuten Heimatfilme hier etwas anderes als etwa in München, Berlin oder dem Ruhrgebiet. Denn St. Pauli ist nicht nur ein Stadtviertel, sondern auch ein Mythos. Weltweit gibt es kaum andere Stadtteile, in denen und über die so viele Filme gedreht wurden. Vergleiche kann man da vielleicht mit Brooklyn und der Bronx in New York anstellen.

In den 60er- und 70er-Jahren gab es sogar ein eigenes Subgenre mit St.-Pauli-Filmen. Diese Filme hießen etwa „Die Engel von St. Pauli, „Fluchtweg St. Pauli“ oder „Polizeirevier Davidwache“ und sie spielten vor allem in den Kneipen, Bordellen und eben in der Davidwache.

Weil die Programmmacher des B-Movie ihrem eigenen Anspruch, den Stadtteil „in seinen verschiedenen Facetten über die Leinwand flimmern“ zu lassen, gerecht werden wollten, mussten sie auch mindestens einen dieser eher kruden Unterhaltungsfilme ins Programm nehmen. Und so läuft am Samstag „Der Pfarrer von St. Pauli“ aus dem Jahr 1970, mit Titelheld Curd Jürgens, in dem natürlich eine möglichst abenteuerliche Geschichte erzählt werden muss, die erklärt, warum der „normannische Kleiderschrank“ zum frommen Prediger wird. So war er einst U-Boot-Kapitän in schlimmster Seenot und legte das Gelübde ab, Pfarrer zu werden, sollten er und sein Boot aus dem Sturm gerettet werden. In seiner neuen, besonders sündigen Gemeinde St. Pauli wird er gleich am ersten Tag in einen Mord verwickelt und legt sich mit einem Verbrechersyndikat an. Den Rest kann man sich denken.

Mit „Razzia in St. Pauli“ ist auch eine Art Vorläufer dieses Genres im Programm. Der Film ist 1932 entstanden und der Regisseur Werner Hochbaum erzählt eine von den ganz alten Geschichten: Matrosen-Karl ist auf der Flucht vor der Polizei und verspricht, die „Ballhaus-Else“ aus dem Milieu herauszuholen, wenn sie ihn in der Kongo-Bar versteckt. Interessant ist der Film, weil er semi-dokumentarisch mit Laiendarstellern und vielen Außenaufnahmen gedreht wurde und Ernst Busch das „Lied der Hafenarbeiter“ singt. Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 wurde der Film dann auch prompt verboten.

1993 drehte der exzentrische Peter Kern sein Porträt „Domenica“ (läuft heute Abend um 22 Uhr) über die wohl berühmteste Domina aller Zeiten. „Flammende Herzen“ (ebenfalls heute Abend um 20 Uhr) von den Schweizer Filmemachern Oliver Ruts und Andrea Schuler erzählt die Lebensgeschichten von drei alten Tätowierern, deren Lebenswege sich (natürlich) auf St. Pauli gekreuzt haben.

In „Schmuck der Straße“ von Rosa Baches wird von Transfrauen aus Lateinamerika erzählt, die nach Hamburg kamen, weil sie in ihren Heimatländern nicht so frei leben und arbeiten konnten wie dort. Und in „Er tanzte sein Leben“ porträtiert Marian Czura den über 80-jährigen jüdischen Tänzer Sylvin Rubinstein, der in den 50er-Jahren als flamencotanzende „Dolores“ berühmt wurde. Wilfried Hippen

Heimatfilme aus St. Pauli: B-Movie, Brigittenstraße 5, Hamburg. Alle Filme der Reihe im April gibt es auf der Seite www.b-movie.de.