„Ich will keine Kursänderung“

Der Job des Präsidenten der Humboldt-Uni ist gerade nicht beliebt: Nach langem Hin und Her hat sich die HU jetzt auf Christoph Markschies geeinigt. Er ist Theologe, erst 42 – und kein „Gremienhengst“

INTERVIEW TINA HÜTTL

taz: Herr Markschies, das Kuratorium der Humboldt-Universität (HU) hat Sie einstimmig für das Amt des Präsidenten vorgeschlagen. Einige Kandidaten, die zuvor gehandelt wurden, haben der Uni einen Korb gegeben, weil sie von deren schwieriger finanzieller Lage abgeschreckt waren. Warum wollen Sie den Job?

Christoph Markschies: Der Historiker weiß, dass die Humboldt-Universität 1810 bei ihrer Gründung in einer weitaus schwierigeren Krise steckte. Da war nämlich auch gleich noch der Staat zusammengebrochen. Insofern – die HU ist ja eine hinreißende Uni – muss einer aus ihren Reihen den Karren ziehen. Eine Reihe von Menschen aus dem Kuratorium, der Professorenschaft und den anderen Statusgruppen wünscht, dass ich diese Aufgabe übernehme.

Sie sind erst seit einem Jahr an der HU und zurzeit noch nicht mal vor Ort, sondern für ein Forschungssemester in Israel. Sie haben bisher auch keine Hochschule geleitet. Trauen Sie sich die Aufgabe zu?

Es gibt sicher Gremienhengste, also Menschen, die ihr halbes Leben in Gremien zubringen. Dazu gehöre ich nicht. Aber ich habe als Wissenschaftler und Forscher in vielen Gremien mitgewirkt, weil ich die Wissenschaft so gestalten will, dass sie für Lehre und Forschung optimal strukturiert ist. An Erfahrung mangelt es also nicht.

Was werden Sie, wenn Sie denn gewählt werden, als Erstes anpacken?

Die dringlichste Aufgabe ist, dass die HU im Exzellenzwettbewerb ihre Chancen stärkt, Preise zu gewinnen; immerhin geht es um fast zwei Milliarden Euro, die unter den Universitäten verteilt werden sollen. Unsere Stärken liegen zum einen im Bereich der Lebens- und Materialwissenschaften. Auf der anderen Seite haben wir aber auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften sehr beeindruckende Projekte.

Gibt es mit Ihnen einen Kurswechsel oder ein Weiter-so?

Uns ist ja etwas Großartiges und Bestürzendes zugleich passiert: Alle Aufgaben, die sich das letzte Präsidium vor fünf Jahren gestellt hat, sind plötzlich zu den Punkten geworden, von denen alle reden. Jeder will nun den Nachwuchs durch Juniorprofessoren fördern. Wir müssen nun unsere Ideen weiterentwickeln. Wir haben kluge Juniorprofessoren. Nun bekommen sie aber attraktive Rufe, zum Beispiel nach Oxford und Stanford. Jetzt müssen wir Möglichkeiten schaffen, wie sie gehalten werden können. Ich will also keine Kursänderung, sondern weitere Segel hochziehen.

Sie gelten als Überflieger im Wissenschaftsbetrieb: Mit 32 Jahren wurden Sie zum Professor der Theologie berufen. Knapp zehn Jahre später folgt die Nominierung zum Präsidenten. Was ist Ihr Geheimnis?

Auf dem Hauptportal der HU Unter den Linden steht der schöne Satz von Einstein: „Ich bin leidenschaftlich neugierig.“ Das würde ich auch für mich in Anspruch nehmen.

Trotzdem dürfte es für Sie als Theologe auch nicht einfach werden. Der Vizepräsident Hans-Jürgen Prömel kommt ja aus den harten Naturwissenschaften. Sind die Konflikte nicht vorprogrammiert?

Gute Interdisziplinarität an einer Uni setzt voraus, dass man wechselweise voneinander fasziniert ist. Das ist bei uns der Fall. Mit Herrn Prömel ist die Zusammenarbeit von großem Vertrauen geprägt. Naturwissenschaftler können Dinge wunderbar nüchtern abarbeiten.

Und Theologen?

Wir können gut zwischen Ideologie und Wissenschaft unterscheiden. Wir können einer Universität helfen, vorletzte Dinge – das sind Fragen von Wissenschaft und Politik – nicht mit den letzten, also den reinen Glaubensfragen zu verwechseln. Eine Verfassungsentscheidung an einer Universität ist beispielsweise eine Frage der Pragmatik, nicht eine von Leben und Sterben.

Sie haben das Stichwort genannt. Nach Ihrer Wahl im November steht gleich die Abstimmung über die neue Verfassung der HU im Konzil an. Die Studierendenschaft wünscht die Einführung der Viertelparität, also eine gleichberechtigte Mitsprache bei Fragen der universitären Grundordnung. Der ehemalige Präsident Jürgen Mlynek war immer dagegen.

Auch ich halte die Viertelparität nicht für das richtige System, um studentische Mitwirkung zur Geltung zu bringen. Um nicht gegen geltendes Hochschulrecht zu verstoßen, müsste bei der Viertelparität jede Statusgruppe zugleich auch jede andere wählen, also Studenten die Professoren oder die Sekretärinnen die Vertreter der Studierenden etc. Das sprengt unser deutsches Universitätsmodell und ist nicht praktikabel, weil man meist nur die eigenen Gruppenvertreter wirklich kennt. Die studentische Mitwirkung ist gegeben, wenn Studierende von Anfang an in transparente Entscheidungsprozesse einbezogen werden. In der Universität zählen Argumente. Hier gibt es die besten Möglichkeiten, sich einzubringen.