die taz vor 15 Jahren über die neue Ölkrise als ökologisches Korrektiv
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Während der Ölkrise von 1973 haben wir erfahren (müssen), daß die Rohstoffe begrenzt, die Ölscheichs unberechenbar und selbst Autobahnen auch zu Fuß begehbar sind. Für einen kurzen Augenblick war die Anfälligkeit unseres zivilisatorischen Gebildes dramatisch sichtbar geworden. Doch die Lektion hielt nicht lange vor. Haben wir aus der Ölkrise irgendetwas gelernt? Haben wir umgesteuert, Öl und Energie radikal eingespart? Kaum: Der Ölverbrauch der westlichen Welt stagniert auf dem hohen Niveau der Jahre 1979/80. Ein ähnlicher Verbrauch in der übrigen Welt würde den Planeten im Treibhaus ersticken.

Der drohende Krieg am „Golf“ hat den Benzinpreis auf 1,50 DM pro Liter geschraubt. Bei einer Eskalation könnte er sich schnell auf drei Mark verdoppeln und damit die Schmerzgrenze deutlich überschreiten. Und erneut würde sichtbar, auf welch wackligen Füßen diese Auto-Gesellschaft steht. Aus Mitgefühl für die Opfer, die die Krise im Golf bislang schon gefordert hat und jeden Moment fordern könnte, verbietet es sich, diese Entwicklung zu begrüßen. Krieg und Verbrechen dürfen nicht durch ökologische Kalküle relativiert werden. Schon gar nicht, wenn auch noch zu befürchten ist, daß zur Kompensation von Ölausfällen aus Nahost alle möglichen anderen Ölreserven ohne ökologische Rücksichten ausgebeutet werden. Doch eine Preisexplosion wäre auch dann nicht zu vermeiden. So müssen wir denn auf eine höchst ungemütliche Art und Weise zur Kenntnis nehmen, wie sich plötzlich zu erfüllen droht, was zuletzt auch von vielen Wertkonservativen gefordert worden war: eine deutlich spürbare Erhöhung der Benzinpreise. Die Eskalation im Nahen Osten droht zu einem ökologischen Korrektiv zu werden und könnte damit das Auto schnell an den Rand der Wirtschaftlichkeit bringen. Sie könnte sogar erledigen, was noch als reichlich utopisch erscheinende Forderung gerade ins grüne Wahlprogramm von Bayreuth geschrieben wurde: eine verkehrspolitische Wende durch einen Benzinpreis von bis zu fünf Mark pro Liter.

Das Öko-Magazin Natur hat jetzt darauf hingewiesen, daß die wertvollsten Geiseln Saddam Husseins „nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Blech und Plaste sind: Sie hören auf Namen wie Mercedes und Volkswagen … Unsere ganze Aufregung gilt nicht in erster Linie dem Giftgas, sondern dem Vollgas“. Ein böser Gedanke, aber auch ein berechtigter.

taz, 28. 9. 1990, Manfred Kriener