LehrerInnen protestieren gegen Abschiebungen

FLUCHT 140 LehrerInnen kritisieren Asylpolitikin einem offenen Brief als moralisch fragwürdig

Mehr als 140 LehrerInnen von Willkommensklassen an Oberstufenzentren kritisieren in einem offenen Brief die zunehmend rigorose Abschiebepolitik. Volljährige SchülerInnen, vor allem aus Irak und Afghanistan, aber auch aus Syrien, bekämen immer häufiger Abschiebebescheide, heißt es in dem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), Innensenator Andreas Geisel (ebenso) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). „Die momentane Situation ist für unsere Schüler*innen unerträglich. Jeden Tag sehen wir, wie sich ihr psychischer Zustand verschlechtert, weil sie die Angst vor der drohenden Abschiebung plagt“, so die LehrerInnen.

In Berlin besuchen derzeit rund 12.000 Kinder- und Jugendliche sogenannte Willkommensklassen, um Deutsch zu lernen und anschließend in Regelklassen gehen zu können. Dafür wurden seit 2012 rund 1.100 LehrerInnen eingestellt. Das Konzept ist umstritten.

So stellte kürzlich eine Studie fest, dass die Separation der Kinder in eigenen Klassen für den Spracherwerb und die Integration nicht unbedingt förderlich ist – zumal es kein festes Curriculum für die „W-Klassen“ gibt und der Übergang zur „normalen“ Schule nicht klar geregelt ist.

Umso mehr hängt vom Engagement der einzelnen WillkommenslehrerInnen ab. Aber dies erleide durch die aktuellen Entwicklungen einen herben Dämpfer, schreiben die 143 UnterzeichnerInnen, die mehr als zehn Prozent ihrer Berufsgruppe vertreten. Sie „zweifeln an der Sinnhaftigkeit ihrer Aufgabe“, da ihr Engagement „mit der aktuellen Asylpolitik und Abschiebepraxis völlig entwertet“ werde.

Wirtschaftlich unsinnig

Die LehrerInnen kritisieren die Politik auch aus finanziellen Gründen. Man habe gerade die SchülerInnen der Altersgruppe der 16- bis 21-Jährigen, die an Oberstufenzentren lernen, seit ein bis zwei Jahren auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereitet. Sie hätten Pläne gemacht, sich angestrengt, integriert, die Gesellschaft habe sie finanziell unterstützt, eine Unterkunft gestellt. „Welchen Sinn hatten diese Anstrengungen und Kosten nun? Oder, anders formuliert: Wozu diese Investitionen?“

Der Brief, der initiiert wurde von W-Klassen-LehrerInnen der Martin-Wagner-Schule (Oberstufenzentrum Bautechnik II) in Weißensee, endet mit der Schlussfolgerung, die neue Abschiebepraxis sei „politisch willkürlich, moralisch fragwürdig und wirtschaftlich unsinnig“. Susanne Memarnia