Keine Lust mehr auf Zschäpe

NSU Die Verteidiger von Beate Zschäpe wollen hinschmeißen. Die Angeklagte hatte sie zuvor düpiert

BERLIN taz | Am Mittwoch geht der NSU-Prozess in seinen 354. Verhandlungstag. Nach fast vier Jahren ist nun aber ein Ende absehbar. Richter Manfred Götzl rief zuletzt alle Beteiligten auf, letzte Anträge zu stellen. Dennoch wollen die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe nicht mehr: Sie beantragten bei dem Gericht, aus ihrem Mandat entlassen zu werden.

Eine Fortsetzung ihrer Arbeit sei „nicht mehr zumutbar“, schrieben die Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl an Richter Götzl. Das Auftreten Zschäpes greife inzwischen ihre „persönliche und berufliche Integrität in ehrverletzender Weise“ an.

Hintergrund ist eine offene Attacke Zschäpes gegen das Verteidigertrio. Aus der Haft heraus hatte diese am Freitag das Gericht angeschrieben und sich von drei zuletzt gestellten Befangenheitsanträgen distanziert. Diese seien ohne ihren „Wunsch“ und „Willen“ erfolgt.

Sturm, Heer und Stahl reichte es darauf. Der Vorwurf sei „absurd“. Die Anwälte verwiesen auf ein Treffen, Telefonate und eine E-Mail mit Zschäpes weiteren Verteidigern, Mathias Grasel und Hermann Borchert, in dem diese das Einverständnis der 42-Jährigen zu den Anträgen übermittelt hätten. Nun müsse man davon ausgehen, von Grasel und Borchert „unwahre Informationen“ zu erhalten – oder Zschäpe äußere sich „wahrheitswidrig“. Eine Verteidigung der Angeklagten sei damit nicht mehr möglich, so die Anwälte: Man sei weder ein „Spielball“ Zschäpes noch eine „Sicherungsmarionette“ des Gerichts, um den Prozess nicht platzen zu lassen.

Der Streit ist nicht neu. Schon im Sommer 2015 hatte das Verteidigertrio beantragt, ihr Mandat niederlegen zu dürfen. Zuvor hatte Zschäpe ihnen wiederholt vorgeworfen, sie nicht richtig zu verteidigen und zu einer Schweigestrategie zu nötigen. Die Richter lehnten den Antrag der Verteidiger als „unbegründet“ ab.

Nun müssen sie sich erneut beraten. Bisher taten sie indes alles, um den Prozess nicht zu gefährden. Dieser müsste neu starten, würde das Gericht Stahl, Sturm und Heer entlassen, da nur diese Zschäpe von Beginn an verteidigten.

Nach den ersten Verwerfungen hatte Zschäpe ihre Kommunikation mit ihren Anwälten fast gänzlich eingestellt. Im Juli 2015 bekam sie dafür mit Grasel einen vierten Pflichtverteidiger zugestanden – und sagte später tatsächlich im Prozess aus. Grasel, der durch Anwalt Borchert beraten wird, lehnte am Dienstag eine Stellungnahme zu den Vorwürfen von Stahl, Sturm und Heer ab.

Die jüngsten Befangenheitsanträge der Verteidiger gegen die Richter hatten dem NSU-Prozess zuletzt eine zweiwöchige Pause aufgezwungen. Der Mittwoch nun dürfte geprägt sein vom Streit Zschäpes mit ihren Verteidigern. Konrad Litschko