Die Welt ist voller Nerds. Was sagt uns da Danny Rand?
: Nur mit konzentriertem Chi klappt es mit der Eisenfaust

Die Couchreporter Heute: Jenni Zylka

Nerds. Die Welt ist voll davon. Platten-Nerds, die nachts um 4.30 Uhr auf eine Single bieten, die ein Seller namens „Moonstomp64“ auf der anderen Seite des Globus verkauft, dann 475 Dollar dafür zahlen (ohne Tax und Zoll), um sie in die Sammlung zu stellen, die inzwischen so groß ist, dass man sich im Flur nicht mehr umdrehen kann, und das alles nur, weil sie dem automatischen Bietprogramm, das auch ohne sie funktionieren würde, nicht vertrauen.

Und natürlich Comic-Nerds, die sich ärgern, wenn die Protagonisten der Netflix-Marvel-Offensive anders aussehen als ihre gezeichneten Freunde. Hach, Nerds.

Was sagen die Nerds also zu „Iron Fist“, fresh out of Marvel, gespielt von Finn Jones (im Nerduniversum kein Unbekannter, weil auch bei „Game of ­Thrones“ beschäftigt), teilweise inszeniert vom weisen Regisseur John Dahl, dessen Genreexpertise unbenommen ist?

„Iron Fist“ ist der vierte Teil von Marvels großflächig angelegter New-York-Pentalogie, die bislang aus „Daredevil“ (blinder Retter des Stadtteils „Hells Kitchen“), Jessica Jones (saufender einsamer she-wolf) und Luke Cage (Harlems starker brother with attitude) besteht, und sich irgendwann später in der gemeinsamen Abenteuerserie „The Defenders“ niederschlagen wird. Doch „Iron Fist“, der erst am Ende der zweiten Episode mit seinem Iron-Fist-Dasein ein wenig warm wird (vorher gibt er einen Tippelbruder zwischen den glänzenden Hochhäuserschluchten Manhattans), und seinen ehemaligen Freunden und jetzigen Gegenspielern seine unglaubliche Backstory (Sohn superreicher Eltern, Flugzeugabsturz, Rettung durch mystische Mönche im Himalaja) auftischt, ist die erste Figur der Reihe, deren Diversität begrenzt scheint.

Danny Rand, so lautet Iron Fists bürgerlicher Name, ist ­tatsächlich ein weißer Mann aus gutem Hause. Im Gegensatz zu dem blinden Daredevil, der weiblichen Jessica Jones und dem schwarzen Luke Cage und all den dementsprechenden Diskriminierungserfahrungen, Befreiungsschlägen und Vorurteilserlebnissen scheint es Iron Fist fast schon zu leicht zu haben: Anfangs gegen mit Psychopharmaka um sich werfende Irrenärzte und erst später gegen eine große, böse Organisation im Hintergrund muss er sich zur Wehr setzen. Das allerdings, immerhin, mit der Hilfe diffus-fernöstlicher und von Martial-Arts-Theorien geprägter Kampfes- und Meditationskünste. Damit hat auch Iron Fist sein Alleinstellungsmerkmal gefunden: Nur wenn er sein Chi konzentriert, klappt das mit der Eisenfaust. Das erste Iron-Fist-Comicheft erschien in den 1970ern, auf dem Höhepunkt der Kung-Fu-Welle, und war demzufolge deren weiße US-amerikanische Konsens-Adaption.

Aber warum, möchte ich wissen, sterben Iron Fists Eltern in der anfangs schön und schnell, im Laufe der Staffel etwas zu behäbig erzählten Serie bei einem Flugzeugabsturz?! Jeder weiß doch, dass sie im Comic von Wölfen gefressen wurden! Das geht nicht! Und was ist mit dem grünen Anzug und dem goldenen Kopfschmuck? Und was sollen die Locken? Wie, das ist doch wohl egal, wenn nur die Geschichte dramaturgisch gut dahinfließt? Ach, ihr habt doch alle keine Ahnung.