Ein goldenes Schiff, auf dem man tanzen kann

Musik Sie schraubt Sounds zusammen, das glaubt man nicht: Theresa Stroetges heute in der Kantine am Berghain

Theresa Stroetges im Ungefähren Foto: Jana Sotzko

Wer Theresa Stroetges mal live beim Musikmachen erleben durfte, der könnte auf die Idee kommen, dass Hochleistungssport und experimentelle Musik nah beieinander liegen. Vor Kurzem war sie mit ihrem Bandprojekt Soft Grid in der Kantine am Berghain und wirbelte und wieselte zwischen Gitarre, Laptop und Streichinstrumenten über die Bühne, dass einem schon beim Zuschauen schwummrig werden konnte.

Die 34-jährige Musikerin, deren Projekte meist zwischen elektronischer Tanzmusik, Krautrock und Psychedelic anzusiedeln sind, tritt nun auch wieder als Solistin in Erscheinung. Golden Diskó Ship nennt sie ihr Ein-Frau-Projekt – den Namen ersann sie einst bei einem Island-Aufenthalt unter dem Eindruck eines golden schimmernden Schiffes, das wirklich mal als Disco-Kutter über die Meere schippern sollte. Auf zwei von Kritikern hoch geschätzte Alben – „Pre­historic Ghost Party“ (2012) und „Invisible Bonfire“ (2014) – blickt Stroet­ges bereits zurück, mit dem dritten, „Imaginary Boys“, ist sie sich insofern treu geblieben, als der Titel wieder auf etwas Ungefähres verweist.

Die Songskizzen entstanden zum Großteil im Sommer 2015 während eines Lissabon-Aufenthalts, in den folgenden zwölf Monaten feilte Stroetges weiter an den Stücken, ehe Mitte 2016 gemixt wurde – von ebenjenem Schneider TM, mit dem sie heute Abend ein gemeinsames Release-Konzert gibt (auch er stellt sein neues Album vor).

„Imaginary Boys“ deckt ein breites stilistisches Spektrum ab: Da klingen Techno und House an, Krautrock-Eskapaden und Elektropop-Nummern, Middle-East-Folk und auch ein klein wenig Avantgarde-Freejazz. Im Ganzen scheint es ein Album der Gegensätze zu sein: eines, das man sich erarbeiten muss und das doch zugänglich ist. Eines, das fluffig-leicht und tanzbar daherkommt und das dann mit dissonanten Klavier- und Gitarrentönen überrascht. Eines, das zwischen Euphorie und Dysphorie changiert.

Stroetges, die am Niederrhein geboren ist und Musikwissenschaft und Sound Studies studiert hat, hat auf „Imaginary Boys“ viel mit Soundprogrammen gearbeitet und alle Instrumente selbst eingespielt. „Wiederentdeckt“ habe sie nun die Bratsche, wie sie sagt – also das Instrument, das sie von klein auf gelernt hat. Neben dem Streichinstrument ist da vor allem noch viel Bass zu hören: mal unterschwellig wummernd, mal herzschlaggleich pochend, dann kräftig pluckernd.

Beim Eröffnungsstück „Flaming Flamingo“, einem medleyartig angelegten Song, hat man das Gefühl, Stroetges schraube zusammen, was kaum zusammenschraubbar scheint: arabische Melodien, Anklänge westlicher Klassik, Clubmusik. Mit „Pacific Trash Vortex“ hat das Album dann einen kleinen Hit; basierend auf einem Gitarren-Lick, ist der Song mit allerlei Synthesizer-Spielereien versehen, die einen entfernt an Yello und auch an ältere Krautrock-Sachen denken lassen. Dazu kommt ein mit Autotune verfremdeter Gesang, der endgültig einen verdreht-spacigen Pop-Song aus dieser Nummer macht.

Hier zeigt sich am deutlichsten, dass bei Golden Diskó Ship nicht nur Hochleistungssport und Experiment, sondern auch Experiment und Dancefloor zusammengehen. Diese Qualität ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Jens Uthoff

Konzert: Golden Diskó Ship und Schneider TM, Kantine am Berghain, Am Wriezener Bahnhof 70, 24. März, 20 Uhr, 12 Euro.

Album: Golden Diskó Ship: „Imaginary Boys“ (Karlrecords)