Mäuler müssen Genfood kauen

Der größte Vieh-Futterhändler boykottiert systematisch gentechnik-kritische Landwirte, klagen nordrhein-westfälische Bauerninitiativen. „Gentechnikfreie Milch bleibt so Ausnahmeerscheinung“

von MIRIAM BUNJES

In NRW wächst der Widerstand gegen die Gentechnik-Lobby. Nachdem sich im vergangenen Sommer 58 Höfe zu einer gentechnikfreien Region zusammenschlossen, wollen jetzt auch die Viehbauern um ihre Wahlfreiheit kämpfen. „Wir werden vom Raiffeisen-Verband systematisch daran gehindert, gentechnikfreies Futtermittel einzukaufen“, sagt Sigrid Herbst vom Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Landwirten wird die Information darüber verweigert, wo sie gentechnik-frei einkaufen können. So wird die Nachfrage künstlich klein gehalten.“ Am Dienstag kam es deshalb vor der Raiffeisen-Zentrale in Bonn zu Protesten von Bauerninitiativen und Umweltverbänden.

Der Raiffeisen-Verband, ein Zusammenschluss unterschiedlicher Genossenschaften, ist bundesweit der größte Futtermittelhändler. Ungefähr achtzig Prozent des wichtigsten Viehfutters – Sojaschrot – ist inzwischen gentechnisch verändert. „Es interessieren sich nur wenige Kunden für gentechnikfreien Sojaschrot“, sagt Raiffeisen-Sprecherin Monika Windbergs. Sie hält die Vorwürfe der protestierenden LandwirtInnen für aufgebauscht. „Natürlich gehen wir auf unsere Kundenwünsche ein.“

Das sieht Landwirt Bernd Schmitz aus dem Bonner Umland anders. Er versucht seit zwei Jahren von Raiffeisen gentechnikfreies Sojaschrot zu kaufen. „Ich habe keine Auskunft erhalten, wo ich es kaufen kann“, sagt der Landwirt. Sigrid Herbst kennt viele solcher Beispiele. „Vor allem kleineren Kunden wird genfreies Futter vorenthalten, man will wohl von vornherein keinen Markt dafür schaffen.“ Wer nicht nachfrage, bekomme sowieso gentechnisch verändertes Futtermittel geliefert.

Aus ihrer Einstellung zur Gentechnik macht der Raiffeisenverband keinen Hehl. Zusammen mit der Lobbyorganisation „Gesprächskreis Grüne Gentechnik“ wirbt der Verband auf Veranstaltungen für den Einsatz von Gentechnik in Landwirtschaft und Tierfütterung. Bei Verzicht auf gentechnisches Sojaschrot sinke die Milchleistung von Kühen um 5.000 Liter, äußerte beispielsweise Gentechnik-Referentin Claudia Döring auf der Fachmesse Eurotier. Aussagen, die der BUND als „gezielte Falschmeldungen“ bezeichnet.

Rund 70 Prozent aller VerbraucherInnen lehnen es verschiedener Umfragen zu Folge ab, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu verzehren. „Sie erhalten trotzdem, ohne es zu wissen, gentechnisch verändertes Fleisch, Milch oder Eier“, sagt Sigrid Herbst. „Kein Wunder, wenn kritischen Produzenten Steine in den Weg gelegt werden.“

Erste LandwirtInnen gehen deshalb den in NRW schon erprobten Weg der Selbstorganisation: 40 konventionelle Bauern im Sauerland haben sich zu einer gentechnikkritischen Milcherzeugergemeinschaft zusammengeschlossen.