American Pie
: Weltmeisterschaft? Nein, danke!

BASEBALL Die US-Stars meiden die WM und bereiten sich derzeit lieber mit ihren Teams auf die Major-League-Saison vor

Sie nennen ihn Thor. Das liegt daran, dass Noah Syndergaard mit seinen 1,98 Meter und den langen blonden Locken tatsächlich aussieht, wie man sich einen nordischen Gott so gemeinhin vorstellt. Zum anderen daran, dass er einen Baseball auf die extraordinäre Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern beschleunigen kann. Syndergaards Wurf ist sozusagen ein Hammer.

Die irdische Version von Thor hat vor wenigen Tagen allerdings verlauten lassen, dass ihn die Weltherrschaft nicht interessiere. „Nein, kein bisschen“ bereue er, so der Modellathlet am Rande eines Trainingsspielchen seines Klubs, der New York Mets, dass er nicht antreten werde beim World Baseball Classic (WBC) für die US-amerikanische Nationalmannschaft, die am Freitag in das Turnier einsteigen wird.

Mit dieser Haltung ist Syndergaard nicht allein: Der WBC ist zwar die inoffizielle Weltmeisterschaft und, weil er alle vier Jahre vor dem Beginn der Saison der Major Leagues (MLB) ausgetragen wird, auch weiter besser besetzt als die echte WM des internationalen Baseball-Verbands, bei der nur Amateure und zweit- bis fünftklassige Profis antreten. Aber trotzdem haben die USA, das Mutterland des Sports, die Veranstaltung, die nun zum vierten Mal stattfindet, noch nie gewonnen.

Dass sich daran etwas ändern wird und die USA das für den 22. März in Los Angeles angesetzte Finale gewinnen werden, daran gibt es auch in diesem Jahr große Zweifel. Dem US-Team fehlt es vor allem an guten Pitchern wie Synder­gaard. „Ich bin in erster Linie ein Met“, begründete der 24-Jährige seine Absage. „Niemand kommt in die Hall of Fame oder gewinnt die World Series dadurch, dass er beim WBC mitspielt.“ Damit brachte Syndergaard das Problem des WBC auf den Punkt: Die Veranstaltung, die mit ersten Spielen am Montag in ­Seoul und am Dienstag in Tokio begonnen hat, wird im Rest der Welt sehr viel ernster genommen als in dem Land, in dem das Spiel erfunden wurde.

Die World Series, die Endspielserie der MLB im Herbst, sind und bleiben der mit großem Abstand weltweit wichtigste Titel. Deshalb bereiten sich die besten amerikanischen Spieler momentan lieber auf die kommende Saison vor, anstatt ihre Trainingslager zu unterbrechen und Verletzungen zu riskieren. Auch die Klubs sehen es nicht gern, wenn vor allem ihre hoch bezahlten Pitcher ihre empfindlichen Wurfarme über Gebühr belasten. Die Diskussion ist vergleichbar mit der, die im Fußball geführt wird: Der Unterschied ist, dass der WBC bei Weitem nicht die Anziehungskraft der Fußball-WM oder -EM hat.

Nicht, dass sich Baseball nicht geöffnet hätte: In der vergangenen Saison spielten 238 Spieler in den 30 Major-League-Mannschaften, die nicht in den USA geboren wurden. Aus 18 verschiedenen Ländern stammten diese Profis – ein neuer Rekord. Und für die meisten der Auslandsprofis ist es selbstverständlich, für ihr Land anzutreten.

Deshalb ist der Titelverteidiger, die Dominikanische Republik, wieder der große Favorit und bietet auch diesmal wieder Spitzenkräfte wie Adrian Beltre, José Bautista, Robinson Cano oder Nelson Cruz auf. Alles Namen, die auch in ihren Major-League-Teams Stars sind. Gute Chancen werden auch Venezuela, Puerto Rico und Japan, die die beiden ersten WBCs 2006 und 2009 gewonnen hatten, eingeräumt.

Max Kepler wird nicht dabei sein. Der Berliner ist der einzige Deutsche, der gute Aussichten hat, am 2. April, wenn die Saison beginnt, im Kader eines Erstliga-Teams zu stehen. Sein Platz im Outfield der Minnesota Twins ist ihm nach einer guten Rookie-Saison sicher. Aber die deutsche Nationalmannschaft scheiterte beim Qualifikationsturnier im März 2016. Ein Grund war auch, dass Kepler damals nicht mitspielte – weil es für seine Karriere wichtiger war, sich im Trainingslager der Twins zu präsentieren. Thomas Winkler